Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

meinem Vater, sie zog nur durch einen an-
dern Weg in eben dasselbe Land. Regen der
ihr kam, wenn sie die große Wäsche vor-
hatte die mein Vater scherzweise Fegfeuer
nanndte das war ihr Gottesschlag und im-
mer wußte sie, mit welcher Sünde sie diesen
Regen beim lieben Gott verschuldet hatte.

Ich entsinne mich als wär's heute daß sie
meinetwegen einen Stock ergrif -- feierlich
wie einen an einer Kreuzfahne, allein sie be-
sann sich, wie Diogenes der einen armen
Jungen mit der Hand Wasser schöpfen sah --
sie murmelte "wer das Schwerdt nimmt, wird
durchs Schwerdt umkommen," und ich habe
also nie unterm Gefreitenstock gestanden son-
dern nach Prinzen Art, da doch Niemand
ohne Schläge groß wird, blos Weiber Hän-
den diesen Tribut bezahlt. Meine Mutter
nanndte diese Zucht Licht und Recht und
hatte eine sehr feine Distinction zwischen dem
Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo-
mit meinen Lesern aber wenig gedient seyn
kann.

Die Sprachen rechnete mein Vater zum
Departement des Leibes und der Seelen.
Man muß pflegte er zu sagen, nur Eine
vollkommen besizen, das ist reden, schreiben

und

meinem Vater, ſie zog nur durch einen an-
dern Weg in eben daſſelbe Land. Regen der
ihr kam, wenn ſie die große Waͤſche vor-
hatte die mein Vater ſcherzweiſe Fegfeuer
nanndte das war ihr Gottesſchlag und im-
mer wußte ſie, mit welcher Suͤnde ſie dieſen
Regen beim lieben Gott verſchuldet hatte.

Ich entſinne mich als waͤr’s heute daß ſie
meinetwegen einen Stock ergrif — feierlich
wie einen an einer Kreuzfahne, allein ſie be-
ſann ſich, wie Diogenes der einen armen
Jungen mit der Hand Waſſer ſchoͤpfen ſah —
ſie murmelte „wer das Schwerdt nimmt, wird
durchs Schwerdt umkommen,„ und ich habe
alſo nie unterm Gefreitenſtock geſtanden ſon-
dern nach Prinzen Art, da doch Niemand
ohne Schlaͤge groß wird, blos Weiber Haͤn-
den dieſen Tribut bezahlt. Meine Mutter
nanndte dieſe Zucht Licht und Recht und
hatte eine ſehr feine Diſtinction zwiſchen dem
Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo-
mit meinen Leſern aber wenig gedient ſeyn
kann.

Die Sprachen rechnete mein Vater zum
Departement des Leibes und der Seelen.
Man muß pflegte er zu ſagen, nur Eine
vollkommen beſizen, das iſt reden, ſchreiben

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="66"/>
meinem Vater, &#x017F;ie zog nur durch einen an-<lb/>
dern Weg in eben da&#x017F;&#x017F;elbe Land. Regen der<lb/>
ihr kam, wenn &#x017F;ie die große Wa&#x0364;&#x017F;che vor-<lb/>
hatte die mein Vater &#x017F;cherzwei&#x017F;e Fegfeuer<lb/>
nanndte das war ihr <hi rendition="#fr">Gottes&#x017F;chlag</hi> und im-<lb/>
mer wußte &#x017F;ie, mit welcher Su&#x0364;nde &#x017F;ie die&#x017F;en<lb/>
Regen beim lieben Gott ver&#x017F;chuldet hatte.</p><lb/>
        <p>Ich ent&#x017F;inne mich als wa&#x0364;r&#x2019;s heute daß &#x017F;ie<lb/>
meinetwegen einen Stock ergrif &#x2014; feierlich<lb/>
wie einen an einer Kreuzfahne, allein &#x017F;ie be-<lb/>
&#x017F;ann &#x017F;ich, wie Diogenes der einen armen<lb/>
Jungen mit der Hand Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;cho&#x0364;pfen &#x017F;ah &#x2014;<lb/>
&#x017F;ie murmelte &#x201E;wer das Schwerdt nimmt, wird<lb/>
durchs Schwerdt umkommen,&#x201E; und ich habe<lb/>
al&#x017F;o nie unterm Gefreiten&#x017F;tock ge&#x017F;tanden &#x017F;on-<lb/>
dern nach Prinzen Art, da doch Niemand<lb/>
ohne Schla&#x0364;ge groß wird, blos Weiber Ha&#x0364;n-<lb/>
den die&#x017F;en Tribut bezahlt. Meine Mutter<lb/>
nanndte die&#x017F;e Zucht <hi rendition="#fr">Licht</hi> und <hi rendition="#fr">Recht</hi> und<lb/>
hatte eine &#x017F;ehr feine Di&#x017F;tinction zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Stabe <hi rendition="#fr">Sanft</hi> und dem Stabe <hi rendition="#fr">Wehe!</hi> wo-<lb/>
mit meinen Le&#x017F;ern aber wenig gedient &#x017F;eyn<lb/>
kann.</p><lb/>
        <p>Die Sprachen rechnete mein Vater zum<lb/>
Departement des Leibes und der Seelen.<lb/>
Man muß pflegte er zu &#x017F;agen, nur Eine<lb/>
vollkommen be&#x017F;izen, das i&#x017F;t reden, &#x017F;chreiben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0074] meinem Vater, ſie zog nur durch einen an- dern Weg in eben daſſelbe Land. Regen der ihr kam, wenn ſie die große Waͤſche vor- hatte die mein Vater ſcherzweiſe Fegfeuer nanndte das war ihr Gottesſchlag und im- mer wußte ſie, mit welcher Suͤnde ſie dieſen Regen beim lieben Gott verſchuldet hatte. Ich entſinne mich als waͤr’s heute daß ſie meinetwegen einen Stock ergrif — feierlich wie einen an einer Kreuzfahne, allein ſie be- ſann ſich, wie Diogenes der einen armen Jungen mit der Hand Waſſer ſchoͤpfen ſah — ſie murmelte „wer das Schwerdt nimmt, wird durchs Schwerdt umkommen,„ und ich habe alſo nie unterm Gefreitenſtock geſtanden ſon- dern nach Prinzen Art, da doch Niemand ohne Schlaͤge groß wird, blos Weiber Haͤn- den dieſen Tribut bezahlt. Meine Mutter nanndte dieſe Zucht Licht und Recht und hatte eine ſehr feine Diſtinction zwiſchen dem Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo- mit meinen Leſern aber wenig gedient ſeyn kann. Die Sprachen rechnete mein Vater zum Departement des Leibes und der Seelen. Man muß pflegte er zu ſagen, nur Eine vollkommen beſizen, das iſt reden, ſchreiben und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/74
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/74>, abgerufen am 14.05.2024.