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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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denn hier hat Er mich manche seelenfrohe
Stunde leben lassen! Sie knieten beyde aufs
Grab und weinten bitterlich. -- --

Ich nehm Abschied von dir, o du mir
liebes Grab! -- sie bog ihr Haupt auf selbi-
ges, als ob sie's küßte. O möcht' ich, wie die
Selige ruhen, die du bedeckest, liebe sanfte
Erde! o möcht' ich -- Sie konnten beyde
nicht mehr.

Bruder, ich beschwöre dich bey der heili-
gen Asche unserer Mutter, die auferstehen
wird am jüngsten Tage, daß du dies Grab
ehrest. Pfleg' es, wart sein. -- Gott erhör
dich, wenn du hier betest. -- Geh' oft hin,
und wenn der Vater Hochzeit hält, vergiß
nicht auf diesem Grabe zu weinen. -- Wenn
dich Gott aus Curland ruft, es ist möglich --
gieb dies Grab in die Hände deines Vertrau-
testen, beschwör ihn, wie ich dich beschworen
habe, daß er sein pfleg' und warte! O liebe,
liebe Mutter, bald! bald! werd' ich dich wie-
dersehen! Ja, Benjamin, bald werd' ich sie
sehn, und sie von dir herzlich grüßen! Du
bist ihr gut, unserer Mutter. -- Hier wieder
eine Thränenscene. -- --

Lebe wohl, liebes Grab, lebe wohl bis an
den lieben jüngsten Tag! --

Ich

denn hier hat Er mich manche ſeelenfrohe
Stunde leben laſſen! Sie knieten beyde aufs
Grab und weinten bitterlich. — —

Ich nehm Abſchied von dir, o du mir
liebes Grab! — ſie bog ihr Haupt auf ſelbi-
ges, als ob ſie’s kuͤßte. O moͤcht’ ich, wie die
Selige ruhen, die du bedeckeſt, liebe ſanfte
Erde! o moͤcht’ ich — Sie konnten beyde
nicht mehr.

Bruder, ich beſchwoͤre dich bey der heili-
gen Aſche unſerer Mutter, die auferſtehen
wird am juͤngſten Tage, daß du dies Grab
ehreſt. Pfleg’ es, wart ſein. — Gott erhoͤr
dich, wenn du hier beteſt. — Geh’ oft hin,
und wenn der Vater Hochzeit haͤlt, vergiß
nicht auf dieſem Grabe zu weinen. — Wenn
dich Gott aus Curland ruft, es iſt moͤglich —
gieb dies Grab in die Haͤnde deines Vertrau-
teſten, beſchwoͤr ihn, wie ich dich beſchworen
habe, daß er ſein pfleg’ und warte! O liebe,
liebe Mutter, bald! bald! werd’ ich dich wie-
derſehen! Ja, Benjamin, bald werd’ ich ſie
ſehn, und ſie von dir herzlich gruͤßen! Du
biſt ihr gut, unſerer Mutter. — Hier wieder
eine Thraͤnenſcene. — —

Lebe wohl, liebes Grab, lebe wohl bis an
den lieben juͤngſten Tag! —

Ich
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[356/0364] denn hier hat Er mich manche ſeelenfrohe Stunde leben laſſen! Sie knieten beyde aufs Grab und weinten bitterlich. — — Ich nehm Abſchied von dir, o du mir liebes Grab! — ſie bog ihr Haupt auf ſelbi- ges, als ob ſie’s kuͤßte. O moͤcht’ ich, wie die Selige ruhen, die du bedeckeſt, liebe ſanfte Erde! o moͤcht’ ich — Sie konnten beyde nicht mehr. Bruder, ich beſchwoͤre dich bey der heili- gen Aſche unſerer Mutter, die auferſtehen wird am juͤngſten Tage, daß du dies Grab ehreſt. Pfleg’ es, wart ſein. — Gott erhoͤr dich, wenn du hier beteſt. — Geh’ oft hin, und wenn der Vater Hochzeit haͤlt, vergiß nicht auf dieſem Grabe zu weinen. — Wenn dich Gott aus Curland ruft, es iſt moͤglich — gieb dies Grab in die Haͤnde deines Vertrau- teſten, beſchwoͤr ihn, wie ich dich beſchworen habe, daß er ſein pfleg’ und warte! O liebe, liebe Mutter, bald! bald! werd’ ich dich wie- derſehen! Ja, Benjamin, bald werd’ ich ſie ſehn, und ſie von dir herzlich gruͤßen! Du biſt ihr gut, unſerer Mutter. — Hier wieder eine Thraͤnenſcene. — — Lebe wohl, liebes Grab, lebe wohl bis an den lieben juͤngſten Tag! — Ich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/364>, abgerufen am 29.04.2024.