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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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ter von meinem Entschluß wußte, als wenn er
mich! mich! predigte. -- Bis dahin war
jede Nerve gespannt. Kein Schlaf hatte die
lezte zween Nächte mein Auge gebrochen.
Kein Gebet brach es. -- Es war starr. --
Mein Blut schlug Wellen, o lieber Junge,
diese Predigt bedrohete den Wind und das
Meer, und es ward ganz stille -- ich sahe
dich, da ich deinen Vater, den Boten Got-
tes, sah. Er kam herein, der Gesegnete des
Herrn, er stand nicht draussen, der Name
des Herrn sey gelobt! O mein Einziger! Ich
wünschte nicht, noch solch einen Abend, solch
eine Nacht, solch einen Tag und solch eine
Nacht, und noch solch einen Morgen zu le-
ben, als vom Freytag Abend bis zur Pre-
digt. -- Eine Hitze, und keinen Tropfen
Wasser in dieser Hitze, wo mir die Zung' an
den Gaumen klebte, warum bat ich nicht
Gott in dieser Dürre um Thau und Erqui-
ckung, warum sucht' ich nicht durch seine
heilige Religion mich abzukühlen, und in die
selige Fassung zu setzen, in der ich jetzt bin,
wo es wie im Frühling weder zu kalt noch zu
warm ist. Gott ist nah' allen, die ihn an-
rufen, warum nannt' ich ihn nicht, im Geist
und in der Wahrheit, Vater, da der leib-

liche

ter von meinem Entſchluß wußte, als wenn er
mich! mich! predigte. — Bis dahin war
jede Nerve geſpannt. Kein Schlaf hatte die
lezte zween Naͤchte mein Auge gebrochen.
Kein Gebet brach es. — Es war ſtarr. —
Mein Blut ſchlug Wellen, o lieber Junge,
dieſe Predigt bedrohete den Wind und das
Meer, und es ward ganz ſtille — ich ſahe
dich, da ich deinen Vater, den Boten Got-
tes, ſah. Er kam herein, der Geſegnete des
Herrn, er ſtand nicht drauſſen, der Name
des Herrn ſey gelobt! O mein Einziger! Ich
wuͤnſchte nicht, noch ſolch einen Abend, ſolch
eine Nacht, ſolch einen Tag und ſolch eine
Nacht, und noch ſolch einen Morgen zu le-
ben, als vom Freytag Abend bis zur Pre-
digt. — Eine Hitze, und keinen Tropfen
Waſſer in dieſer Hitze, wo mir die Zung’ an
den Gaumen klebte, warum bat ich nicht
Gott in dieſer Duͤrre um Thau und Erqui-
ckung, warum ſucht’ ich nicht durch ſeine
heilige Religion mich abzukuͤhlen, und in die
ſelige Faſſung zu ſetzen, in der ich jetzt bin,
wo es wie im Fruͤhling weder zu kalt noch zu
warm iſt. Gott iſt nah’ allen, die ihn an-
rufen, warum nannt’ ich ihn nicht, im Geiſt
und in der Wahrheit, Vater, da der leib-

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[363/0371] ter von meinem Entſchluß wußte, als wenn er mich! mich! predigte. — Bis dahin war jede Nerve geſpannt. Kein Schlaf hatte die lezte zween Naͤchte mein Auge gebrochen. Kein Gebet brach es. — Es war ſtarr. — Mein Blut ſchlug Wellen, o lieber Junge, dieſe Predigt bedrohete den Wind und das Meer, und es ward ganz ſtille — ich ſahe dich, da ich deinen Vater, den Boten Got- tes, ſah. Er kam herein, der Geſegnete des Herrn, er ſtand nicht drauſſen, der Name des Herrn ſey gelobt! O mein Einziger! Ich wuͤnſchte nicht, noch ſolch einen Abend, ſolch eine Nacht, ſolch einen Tag und ſolch eine Nacht, und noch ſolch einen Morgen zu le- ben, als vom Freytag Abend bis zur Pre- digt. — Eine Hitze, und keinen Tropfen Waſſer in dieſer Hitze, wo mir die Zung’ an den Gaumen klebte, warum bat ich nicht Gott in dieſer Duͤrre um Thau und Erqui- ckung, warum ſucht’ ich nicht durch ſeine heilige Religion mich abzukuͤhlen, und in die ſelige Faſſung zu ſetzen, in der ich jetzt bin, wo es wie im Fruͤhling weder zu kalt noch zu warm iſt. Gott iſt nah’ allen, die ihn an- rufen, warum nannt’ ich ihn nicht, im Geiſt und in der Wahrheit, Vater, da der leib- liche

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/371>, abgerufen am 29.04.2024.