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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Zustande Gott der Hülfe, rief sie, sende
mir Trost und Rath! -- Wende dich, Herr,
zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit,
und verbirg dein Angesicht nicht von mir;
denn mir ist angst, erhöre mich! Ich vergeh'
in meinem Elende!

Wahrlich sie vergieng -- -- --

Was konnte sie anfangen? Wahr oder
nicht wahr, ein Entschluß mußte gefaßt wer-
den. -- Sie schloß kein Auge, blieb in Klei-
dern, und nach einem Gebet um Rettung!
um Hülfe! frug sie bei dem Herrn ihres
Lebens, bey Gott, um die Erlaubniß an,
(ich schaudre, da ich es schreibe,) sich das
Leben zu nehmen. -- Sie las Todtenlieder,
singen konnte sie nicht, und fand in dem Liede:
Ich bin ja, Herr, in deiner Macht, Ruhe.

Ich bin ja, Herr, in deiner Macht,

betete sie dreymal nach einander,

denn du hast mich ans Licht gedracht
du unterhältst mir Leib und Leben.
Du kennest meiner Mondenzahl
und weißt, wenn diesem Jammerthal
ich wieder gute Nacht soll geben.
Wo! wie! und wenn! ich sterben soll
das weißt du Lebensvater wohl!

und nun war sie entschlossen.

O

Zuſtande Gott der Huͤlfe, rief ſie, ſende
mir Troſt und Rath! — Wende dich, Herr,
zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit,
und verbirg dein Angeſicht nicht von mir;
denn mir iſt angſt, erhoͤre mich! Ich vergeh’
in meinem Elende!

Wahrlich ſie vergieng — — —

Was konnte ſie anfangen? Wahr oder
nicht wahr, ein Entſchluß mußte gefaßt wer-
den. — Sie ſchloß kein Auge, blieb in Klei-
dern, und nach einem Gebet um Rettung!
um Huͤlfe! frug ſie bei dem Herrn ihres
Lebens, bey Gott, um die Erlaubniß an,
(ich ſchaudre, da ich es ſchreibe,) ſich das
Leben zu nehmen. — Sie las Todtenlieder,
ſingen konnte ſie nicht, und fand in dem Liede:
Ich bin ja, Herr, in deiner Macht, Ruhe.

Ich bin ja, Herr, in deiner Macht,

betete ſie dreymal nach einander,

denn du haſt mich ans Licht gedracht
du unterhaͤltſt mir Leib und Leben.
Du kenneſt meiner Mondenzahl
und weißt, wenn dieſem Jammerthal
ich wieder gute Nacht ſoll geben.
Wo! wie! und wenn! ich ſterben ſoll
das weißt du Lebensvater wohl!

und nun war ſie entſchloſſen.

O
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[376/0384] Zuſtande Gott der Huͤlfe, rief ſie, ſende mir Troſt und Rath! — Wende dich, Herr, zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit, und verbirg dein Angeſicht nicht von mir; denn mir iſt angſt, erhoͤre mich! Ich vergeh’ in meinem Elende! Wahrlich ſie vergieng — — — Was konnte ſie anfangen? Wahr oder nicht wahr, ein Entſchluß mußte gefaßt wer- den. — Sie ſchloß kein Auge, blieb in Klei- dern, und nach einem Gebet um Rettung! um Huͤlfe! frug ſie bei dem Herrn ihres Lebens, bey Gott, um die Erlaubniß an, (ich ſchaudre, da ich es ſchreibe,) ſich das Leben zu nehmen. — Sie las Todtenlieder, ſingen konnte ſie nicht, und fand in dem Liede: Ich bin ja, Herr, in deiner Macht, Ruhe. Ich bin ja, Herr, in deiner Macht, betete ſie dreymal nach einander, denn du haſt mich ans Licht gedracht du unterhaͤltſt mir Leib und Leben. Du kenneſt meiner Mondenzahl und weißt, wenn dieſem Jammerthal ich wieder gute Nacht ſoll geben. Wo! wie! und wenn! ich ſterben ſoll das weißt du Lebensvater wohl! und nun war ſie entſchloſſen. O

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/384>, abgerufen am 28.04.2024.