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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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kammer sey. Sehr gros, werdet ihr sagen,
aber bedenket auch, was der liebe Gott für
Kostgänger hat. Wer mehr nimmt, als er
verzehren kann, thut seinem Nächsten unrecht.
Wenn dieser zu klein war, zum Fach zu rei-
chen, thut ihr es für ihn. Wer wird aber
des Handgrifs wegen glauben, daß man an
der genommenen Haabe und Gut allein ein
Recht besitze? Seht, alle gute Menschen ge-
ben von dem, was sie drüber haben -- Gott
gebs wieder,
sagte jener Arme, allein der
Geber noch weit besser: Er hats schon ge-
geben!

Almosen geben armt nicht,
Kirchengehen säumt nicht.

Beneidet euch nicht unter einander, wie
die wilden Thiere. Seht die Sternlein, wie
still sie da des Abends bey Mondschein zusam-
men sind. Keins kommt dem andern zu nahe,
und doch sind ihrer mehr zusammen, als wenn
die ganze Gemeine bey einander ist. Kannst
du sie zählen? sagte Gott zu Abraham. --
Ein Vogel singt, ein andrer fängt Fliegen.
Jedes Ding nach seiner Art. Laßt euren
künftigen Lehrer nicht von euch sagen, wenn
er euch eine Bußpredigt gehalten, daß er in
ein Wespennest gestochen, laßt es ihn nicht an

seiner

kammer ſey. Sehr gros, werdet ihr ſagen,
aber bedenket auch, was der liebe Gott fuͤr
Koſtgaͤnger hat. Wer mehr nimmt, als er
verzehren kann, thut ſeinem Naͤchſten unrecht.
Wenn dieſer zu klein war, zum Fach zu rei-
chen, thut ihr es fuͤr ihn. Wer wird aber
des Handgrifs wegen glauben, daß man an
der genommenen Haabe und Gut allein ein
Recht beſitze? Seht, alle gute Menſchen ge-
ben von dem, was ſie druͤber haben — Gott
gebs wieder,
ſagte jener Arme, allein der
Geber noch weit beſſer: Er hats ſchon ge-
geben!

Almoſen geben armt nicht,
Kirchengehen ſaͤumt nicht.

Beneidet euch nicht unter einander, wie
die wilden Thiere. Seht die Sternlein, wie
ſtill ſie da des Abends bey Mondſchein zuſam-
men ſind. Keins kommt dem andern zu nahe,
und doch ſind ihrer mehr zuſammen, als wenn
die ganze Gemeine bey einander iſt. Kannſt
du ſie zaͤhlen? ſagte Gott zu Abraham. —
Ein Vogel ſingt, ein andrer faͤngt Fliegen.
Jedes Ding nach ſeiner Art. Laßt euren
kuͤnftigen Lehrer nicht von euch ſagen, wenn
er euch eine Bußpredigt gehalten, daß er in
ein Weſpenneſt geſtochen, laßt es ihn nicht an

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[107/0113] kammer ſey. Sehr gros, werdet ihr ſagen, aber bedenket auch, was der liebe Gott fuͤr Koſtgaͤnger hat. Wer mehr nimmt, als er verzehren kann, thut ſeinem Naͤchſten unrecht. Wenn dieſer zu klein war, zum Fach zu rei- chen, thut ihr es fuͤr ihn. Wer wird aber des Handgrifs wegen glauben, daß man an der genommenen Haabe und Gut allein ein Recht beſitze? Seht, alle gute Menſchen ge- ben von dem, was ſie druͤber haben — Gott gebs wieder, ſagte jener Arme, allein der Geber noch weit beſſer: Er hats ſchon ge- geben! Almoſen geben armt nicht, Kirchengehen ſaͤumt nicht. Beneidet euch nicht unter einander, wie die wilden Thiere. Seht die Sternlein, wie ſtill ſie da des Abends bey Mondſchein zuſam- men ſind. Keins kommt dem andern zu nahe, und doch ſind ihrer mehr zuſammen, als wenn die ganze Gemeine bey einander iſt. Kannſt du ſie zaͤhlen? ſagte Gott zu Abraham. — Ein Vogel ſingt, ein andrer faͤngt Fliegen. Jedes Ding nach ſeiner Art. Laßt euren kuͤnftigen Lehrer nicht von euch ſagen, wenn er euch eine Bußpredigt gehalten, daß er in ein Weſpenneſt geſtochen, laßt es ihn nicht an ſeiner

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/113>, abgerufen am 28.04.2024.