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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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nen. Jetzt war freylich mehr als Einbildung.
Aus dem Schein war das Seyn worden.
Sie selbst sagte der Pastorin ins Ohr, daß
sie des folgenden Tages sterben würde. Frü-
her als einen Tag zuvor schien sie ihren To-
des Tag nicht zu wissen; vielleicht wußt' es
ihr Schutzgeist nur eine Stunde früher. Auf
Seelenkrankheiten verstehen sich die Engel,
sagte sie, auf Leibeszufälle wenig oder gar
nicht. Gott weiß alles. Sie hatte verlangt,
daß niemand zu ihr gelaßen werden sollte.
Saft drängte sich noch den letzten Tag früh
Morgens vor. Ich weiß, sagte sie ihm --
Sie verweigerte ihm die Hand, da er sie be-
prüfen wollte, und zeigte mit vieler Mühe
gen Himmel. Sie blühete im Gesicht wie
eine Rose. Den Tag wußte sie, die Stunde
nicht. Sie war, wie wir wissen, aus Sonn-
abend, Sonntag geworden. Starb den -- --
Sonntag -- --

Wie er von ihr gieng, neigte sie ihr Haupt
und dankte ihm! -- Die vorige Nacht hatte
sie noch die entsetzlichsten Schmerzen. Um
vier Nachmittag war alles vorbey! Zuwei-
len fiel sie in eine Phantasie und sprach wie-
der mit ihrem Engel. Da sie ihn zum
erstenmal wieder inne ward, redete sie ihn

mit

nen. Jetzt war freylich mehr als Einbildung.
Aus dem Schein war das Seyn worden.
Sie ſelbſt ſagte der Paſtorin ins Ohr, daß
ſie des folgenden Tages ſterben wuͤrde. Fruͤ-
her als einen Tag zuvor ſchien ſie ihren To-
des Tag nicht zu wiſſen; vielleicht wußt’ es
ihr Schutzgeiſt nur eine Stunde fruͤher. Auf
Seelenkrankheiten verſtehen ſich die Engel,
ſagte ſie, auf Leibeszufaͤlle wenig oder gar
nicht. Gott weiß alles. Sie hatte verlangt,
daß niemand zu ihr gelaßen werden ſollte.
Saft draͤngte ſich noch den letzten Tag fruͤh
Morgens vor. Ich weiß, ſagte ſie ihm —
Sie verweigerte ihm die Hand, da er ſie be-
pruͤfen wollte, und zeigte mit vieler Muͤhe
gen Himmel. Sie bluͤhete im Geſicht wie
eine Roſe. Den Tag wußte ſie, die Stunde
nicht. Sie war, wie wir wiſſen, aus Sonn-
abend, Sonntag geworden. Starb den — —
Sonntag — —

Wie er von ihr gieng, neigte ſie ihr Haupt
und dankte ihm! — Die vorige Nacht hatte
ſie noch die entſetzlichſten Schmerzen. Um
vier Nachmittag war alles vorbey! Zuwei-
len fiel ſie in eine Phantaſie und ſprach wie-
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[114/0120] nen. Jetzt war freylich mehr als Einbildung. Aus dem Schein war das Seyn worden. Sie ſelbſt ſagte der Paſtorin ins Ohr, daß ſie des folgenden Tages ſterben wuͤrde. Fruͤ- her als einen Tag zuvor ſchien ſie ihren To- des Tag nicht zu wiſſen; vielleicht wußt’ es ihr Schutzgeiſt nur eine Stunde fruͤher. Auf Seelenkrankheiten verſtehen ſich die Engel, ſagte ſie, auf Leibeszufaͤlle wenig oder gar nicht. Gott weiß alles. Sie hatte verlangt, daß niemand zu ihr gelaßen werden ſollte. Saft draͤngte ſich noch den letzten Tag fruͤh Morgens vor. Ich weiß, ſagte ſie ihm — Sie verweigerte ihm die Hand, da er ſie be- pruͤfen wollte, und zeigte mit vieler Muͤhe gen Himmel. Sie bluͤhete im Geſicht wie eine Roſe. Den Tag wußte ſie, die Stunde nicht. Sie war, wie wir wiſſen, aus Sonn- abend, Sonntag geworden. Starb den — — Sonntag — — Wie er von ihr gieng, neigte ſie ihr Haupt und dankte ihm! — Die vorige Nacht hatte ſie noch die entſetzlichſten Schmerzen. Um vier Nachmittag war alles vorbey! Zuwei- len fiel ſie in eine Phantaſie und ſprach wie- der mit ihrem Engel. Da ſie ihn zum erſtenmal wieder inne ward, redete ſie ihn mit

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/120>, abgerufen am 29.04.2024.