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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Nachkommenschaft seyn! -- Du in deiner
Kraft durch den Weltlauf erstickter edler
Mann! nimm Trost aus meinem Beyspiel!
Sieh! ich werde, ohne mich fortzupflanzen,
versammelt zu meinen fruchtbaren Vätern.
Kein Sohn wird bey meinem Grabe gen
Himmel sehen und sagen: mein Vater! --
Keine Tochter wird ihre Hände ringen und
meine Gebeine begrüßen mit einem: ruhet
wohl! und sieh, Freund! Du bist weiblos,
und ich habe eine Mine und sie hat mich! --
Weib meiner Seele! Wende dein Auge, ich
seh es brechen, wend es! Ich bitte, ich
flehe! laß mich mit diesen Kinderlosen allein!
Unser Polt siehet das Angesicht unsers Va-
ters im Himmel, der heute nach einer so
langen Dürre regnen lies. Blick her! wie
sich der Baum vorm Fenster erhohlt hat.
Unser Polt ist bey Gott. Die Gerechten wer-
den weggeraft vor dem Unglück, und die
richtig vor sich gewandelt, kommen zum
Frieden und ruhen in ihren Kammern --
Freund! hast du sie gesehen? Hast du mich
gehört? O danke Gott! daß du Kinder- und
Weiblos bist, daß du nicht nöthig hast, ein
Weib zu trösten ihres einzigen Sohnes hal-
ber! Wie weit glücklicher bist du! --

Die

Nachkommenſchaft ſeyn! — Du in deiner
Kraft durch den Weltlauf erſtickter edler
Mann! nimm Troſt aus meinem Beyſpiel!
Sieh! ich werde, ohne mich fortzupflanzen,
verſammelt zu meinen fruchtbaren Vaͤtern.
Kein Sohn wird bey meinem Grabe gen
Himmel ſehen und ſagen: mein Vater! —
Keine Tochter wird ihre Haͤnde ringen und
meine Gebeine begruͤßen mit einem: ruhet
wohl! und ſieh, Freund! Du biſt weiblos,
und ich habe eine Mine und ſie hat mich! —
Weib meiner Seele! Wende dein Auge, ich
ſeh es brechen, wend es! Ich bitte, ich
flehe! laß mich mit dieſen Kinderloſen allein!
Unſer Polt ſiehet das Angeſicht unſers Va-
ters im Himmel, der heute nach einer ſo
langen Duͤrre regnen lies. Blick her! wie
ſich der Baum vorm Fenſter erhohlt hat.
Unſer Polt iſt bey Gott. Die Gerechten wer-
den weggeraft vor dem Ungluͤck, und die
richtig vor ſich gewandelt, kommen zum
Frieden und ruhen in ihren Kammern —
Freund! haſt du ſie geſehen? Haſt du mich
gehoͤrt? O danke Gott! daß du Kinder- und
Weiblos biſt, daß du nicht noͤthig haſt, ein
Weib zu troͤſten ihres einzigen Sohnes hal-
ber! Wie weit gluͤcklicher biſt du! —

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[650/0658] Nachkommenſchaft ſeyn! — Du in deiner Kraft durch den Weltlauf erſtickter edler Mann! nimm Troſt aus meinem Beyſpiel! Sieh! ich werde, ohne mich fortzupflanzen, verſammelt zu meinen fruchtbaren Vaͤtern. Kein Sohn wird bey meinem Grabe gen Himmel ſehen und ſagen: mein Vater! — Keine Tochter wird ihre Haͤnde ringen und meine Gebeine begruͤßen mit einem: ruhet wohl! und ſieh, Freund! Du biſt weiblos, und ich habe eine Mine und ſie hat mich! — Weib meiner Seele! Wende dein Auge, ich ſeh es brechen, wend es! Ich bitte, ich flehe! laß mich mit dieſen Kinderloſen allein! Unſer Polt ſiehet das Angeſicht unſers Va- ters im Himmel, der heute nach einer ſo langen Duͤrre regnen lies. Blick her! wie ſich der Baum vorm Fenſter erhohlt hat. Unſer Polt iſt bey Gott. Die Gerechten wer- den weggeraft vor dem Ungluͤck, und die richtig vor ſich gewandelt, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern — Freund! haſt du ſie geſehen? Haſt du mich gehoͤrt? O danke Gott! daß du Kinder- und Weiblos biſt, daß du nicht noͤthig haſt, ein Weib zu troͤſten ihres einzigen Sohnes hal- ber! Wie weit gluͤcklicher biſt du! — Die

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/658>, abgerufen am 30.04.2024.