oft sehr unrichtig wiedergiebt! -- Der Spie- gel stellt uns verkehrt dar, und es ist ein un- angemessener Ausdruck: der Mensch ist ge- troffen wie aus dem Spiegel gestohlen -- Al- lerdings können einzelne Erfahrungen wohl dienen, eine subjektive Überzeugung hervor- zubringen; eine allgemeine Wahrheit auf die- sen Grund zu bauen, reichen nur Erfahrungen hin, die so allgemein sind, wie die Wahr- heit, der sie zur Unterlage dienen sollen. Wie lange ist es, dass wir in diesem Fach Erfahrungen anstellen? Welche Methoden schlugen wir ein? Waren diese so wohl ge- wählt, dass sich nach ihnen richtige Resultate erwarten liessen? Haben wir wirklich bereits einen solchen Vorrath von Erfahrungen, dass wir ein System wagen können, nach welchem für eine ganze Hälfte des menschlichen Ge- schlechtes eine so nachtheilige Unterschei- dungslinie sicher gezogen werden kann? oder dürft' es uns über kurz oder lang nicht mit dieser gehen, wie weiland Sr. Unfehlbarkeit jenseits der Alpen mit der berüchtigten Demar- cationslinie? Mit einem System geht es ge-
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oft sehr unrichtig wiedergiebt! — Der Spie- gel stellt uns verkehrt dar, und es ist ein un- angemessener Ausdruck: der Mensch ist ge- troffen wie aus dem Spiegel gestohlen — Al- lerdings können einzelne Erfahrungen wohl dienen, eine subjektive Überzeugung hervor- zubringen; eine allgemeine Wahrheit auf die- sen Grund zu bauen, reichen nur Erfahrungen hin, die so allgemein sind, wie die Wahr- heit, der sie zur Unterlage dienen sollen. Wie lange ist es, daſs wir in diesem Fach Erfahrungen anstellen? Welche Methoden schlugen wir ein? Waren diese so wohl ge- wählt, daſs sich nach ihnen richtige Resultate erwarten lieſsen? Haben wir wirklich bereits einen solchen Vorrath von Erfahrungen, daſs wir ein System wagen können, nach welchem für eine ganze Hälfte des menschlichen Ge- schlechtes eine so nachtheilige Unterschei- dungslinie sicher gezogen werden kann? oder dürft’ es uns über kurz oder lang nicht mit dieser gehen, wie weiland Sr. Unfehlbarkeit jenseits der Alpen mit der berüchtigten Demar- cationslinie? Mit einem System geht es ge-
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oft sehr unrichtig wiedergiebt! — Der Spie-
gel stellt uns verkehrt dar, und es ist ein un-
angemessener Ausdruck: der Mensch ist ge-
troffen wie aus dem Spiegel gestohlen — Al-
lerdings können einzelne Erfahrungen wohl
dienen, eine subjektive Überzeugung hervor-
zubringen; eine allgemeine Wahrheit auf die-
sen Grund zu bauen, reichen nur Erfahrungen
hin, die so allgemein sind, wie die Wahr-
heit, der sie zur Unterlage dienen sollen.
Wie lange ist es, daſs wir in diesem Fach
Erfahrungen anstellen? Welche Methoden
schlugen wir ein? Waren diese so wohl ge-
wählt, daſs sich nach ihnen richtige Resultate
erwarten lieſsen? Haben wir wirklich bereits
einen solchen Vorrath von Erfahrungen, daſs
wir ein System wagen können, nach welchem
für eine ganze Hälfte des menschlichen Ge-
schlechtes eine so nachtheilige Unterschei-
dungslinie sicher gezogen werden kann? oder
dürft’ es uns über kurz oder lang nicht mit
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/61>, abgerufen am 03.11.2024.
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