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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seinem eisenharten Gesicht, und zum erstenmal merkt' ich's, daß er seinem Vater ähnlich sah, freilich wie ein Laub im Frühjahr, wo's noch frisch und grün ist, dem alten, das der Herbst dürr und grau gemacht hat. -- Indem fuhr der Wagen weiter zur Wache, ich ging stumpfsinnig hinterdrein, drückte ihm, da er heruntergehoben und hineingeführt wurde, noch die Hand, und dann durft' ich ihn nicht weiter sehen. Denn er war kein Deserteur allein, er war auch ein Verbrecher, und ich will euch gleich sagen, wie das gekommen, und wie ich es am Abend vom Unteroffizier seiner Begleitung und nachher von ihm selbst erfahren habe.

Einige Zeit vor diesem Elend hatte man, was man längst hätte thun sollen, eine Compagnie Füsiliere nach unserer Heimath gelegt, da die Steuerbedienten dem Schmuggel nicht mehr wehren konnten und sich auch kaum noch Leute finden mochten, die willig dorthin in ihren offenbaren Tod gingen. Dann war Alles eine Zeitlang still gewesen, sei es des Militärs, sei es des starken Eises wegen. Endlich aber fand man den Obercontroleur am Galgen; am Tage drauf kehrte der Jan zurück und am Abend erschien mit dem dort früher beginnenden Thauwetter ein Schiff, welches sich so weit wie möglich in das Eis hinein schob und sein Signal gab. Zu Boot konnten die Schmuggler nicht hinaus, aber sie nahmen Schlitten und kamen gegen zwei Uhr Nachts mit voller Ladung zurück, unter Anführung des Jan, der schon seit Rolof's Gefangennehmung seine alte

seinem eisenharten Gesicht, und zum erstenmal merkt' ich's, daß er seinem Vater ähnlich sah, freilich wie ein Laub im Frühjahr, wo's noch frisch und grün ist, dem alten, das der Herbst dürr und grau gemacht hat. — Indem fuhr der Wagen weiter zur Wache, ich ging stumpfsinnig hinterdrein, drückte ihm, da er heruntergehoben und hineingeführt wurde, noch die Hand, und dann durft' ich ihn nicht weiter sehen. Denn er war kein Deserteur allein, er war auch ein Verbrecher, und ich will euch gleich sagen, wie das gekommen, und wie ich es am Abend vom Unteroffizier seiner Begleitung und nachher von ihm selbst erfahren habe.

Einige Zeit vor diesem Elend hatte man, was man längst hätte thun sollen, eine Compagnie Füsiliere nach unserer Heimath gelegt, da die Steuerbedienten dem Schmuggel nicht mehr wehren konnten und sich auch kaum noch Leute finden mochten, die willig dorthin in ihren offenbaren Tod gingen. Dann war Alles eine Zeitlang still gewesen, sei es des Militärs, sei es des starken Eises wegen. Endlich aber fand man den Obercontroleur am Galgen; am Tage drauf kehrte der Jan zurück und am Abend erschien mit dem dort früher beginnenden Thauwetter ein Schiff, welches sich so weit wie möglich in das Eis hinein schob und sein Signal gab. Zu Boot konnten die Schmuggler nicht hinaus, aber sie nahmen Schlitten und kamen gegen zwei Uhr Nachts mit voller Ladung zurück, unter Anführung des Jan, der schon seit Rolof's Gefangennehmung seine alte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/51>, abgerufen am 28.04.2024.