Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.An die Parzen. Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Und Einen Herbst zu reifem Gesange mir, Daß williger mein Herz, vom süssen Spiele gesättiget, dann mir sterbe! Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heil'ge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen: Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinabgeleitet; Einmal Lebt' ich, wie Götter, und mehr bedarf's nicht. An die Parzen. Nur Einen Sommer goͤnnt, ihr Gewaltigen! Und Einen Herbſt zu reifem Geſange mir, Daß williger mein Herz, vom ſuͤſſen Spiele geſaͤttiget, dann mir ſterbe! Die Seele, der im Leben ihr goͤttlich Recht Nicht ward, ſie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch iſt mir einſt das Heil'ge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen: Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenſpiel Mich nicht hinabgeleitet; Einmal Lebt' ich, wie Goͤtter, und mehr bedarf's nicht. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0090" n="82"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">An die Parzen</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nur Einen Sommer goͤnnt, ihr Gewaltigen!</l><lb/> <l>Und Einen Herbſt zu reifem Geſange mir,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Daß williger mein Herz, vom ſuͤſſen</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Spiele geſaͤttiget, dann mir ſterbe!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Seele, der im Leben ihr goͤttlich Recht</l><lb/> <l>Nicht ward, ſie ruht auch drunten im Orkus nicht;</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Doch iſt mir einſt das Heil'ge, das am</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen:</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!</l><lb/> <l>Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenſpiel</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Mich nicht hinabgeleitet; Einmal</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Lebt' ich, wie Goͤtter, und mehr bedarf's nicht.</hi> </l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [82/0090]
An die Parzen.
Nur Einen Sommer goͤnnt, ihr Gewaltigen!
Und Einen Herbſt zu reifem Geſange mir,
Daß williger mein Herz, vom ſuͤſſen
Spiele geſaͤttiget, dann mir ſterbe!
Die Seele, der im Leben ihr goͤttlich Recht
Nicht ward, ſie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch iſt mir einſt das Heil'ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen:
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenſpiel
Mich nicht hinabgeleitet; Einmal
Lebt' ich, wie Goͤtter, und mehr bedarf's nicht.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/90>, abgerufen am 03.12.2023. |