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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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blick der reichen Kaufladen, der ausgehäng¬
ten Bilder und Kupferstiche zu ergötzen.
Abends besuchte ich die öffentlichen Spazier¬
gänge, wo mich oft meine Abgeschiedenheit
mitten im lebhaftesten Gewühl der Menschen
mit bittern Empfindungen erfüllte. -- Von
niemanden gekannt zu seyn, in niemandes
Brust die leiseste Ahnung vermuthen zu kön¬
nen, wer ich sey, welch ein wunderbares
merkwürdiges Spiel des Zufalls mich hieher
geworfen, ja was ich Alles in mir selbst ver¬
schließe, so wohlthätig es mir in meinem
Verhältniß seyn mußte, hatte doch für mich
etwas wahrhaft schauerliches, indem ich mir
selbst dann vorkam, wie ein abgeschiedener
Geist, der noch auf Erden wandle, da Alles
ihm sonst im Leben befreundete längst gestor¬
ben. Dachte ich daran, wie ehemals den be¬
rühmten Kanzelredner Alles freundlich und
ehrfurchtsvoll grüßte, wie Alles nach seiner
Unterhaltung, ja nach ein paar Worten von
ihm geitzte, so ergriff mich bittrer Unmuth. --

blick der reichen Kaufladen, der ausgehaͤng¬
ten Bilder und Kupferſtiche zu ergoͤtzen.
Abends beſuchte ich die oͤffentlichen Spazier¬
gaͤnge, wo mich oft meine Abgeſchiedenheit
mitten im lebhafteſten Gewuͤhl der Menſchen
mit bittern Empfindungen erfuͤllte. — Von
niemanden gekannt zu ſeyn, in niemandes
Bruſt die leiſeſte Ahnung vermuthen zu koͤn¬
nen, wer ich ſey, welch ein wunderbares
merkwuͤrdiges Spiel des Zufalls mich hieher
geworfen, ja was ich Alles in mir ſelbſt ver¬
ſchließe, ſo wohlthaͤtig es mir in meinem
Verhaͤltniß ſeyn mußte, hatte doch fuͤr mich
etwas wahrhaft ſchauerliches, indem ich mir
ſelbſt dann vorkam, wie ein abgeſchiedener
Geiſt, der noch auf Erden wandle, da Alles
ihm ſonſt im Leben befreundete laͤngſt geſtor¬
ben. Dachte ich daran, wie ehemals den be¬
ruͤhmten Kanzelredner Alles freundlich und
ehrfurchtsvoll gruͤßte, wie Alles nach ſeiner
Unterhaltung, ja nach ein paar Worten von
ihm geitzte, ſo ergriff mich bittrer Unmuth. —

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[218/0234] blick der reichen Kaufladen, der ausgehaͤng¬ ten Bilder und Kupferſtiche zu ergoͤtzen. Abends beſuchte ich die oͤffentlichen Spazier¬ gaͤnge, wo mich oft meine Abgeſchiedenheit mitten im lebhafteſten Gewuͤhl der Menſchen mit bittern Empfindungen erfuͤllte. — Von niemanden gekannt zu ſeyn, in niemandes Bruſt die leiſeſte Ahnung vermuthen zu koͤn¬ nen, wer ich ſey, welch ein wunderbares merkwuͤrdiges Spiel des Zufalls mich hieher geworfen, ja was ich Alles in mir ſelbſt ver¬ ſchließe, ſo wohlthaͤtig es mir in meinem Verhaͤltniß ſeyn mußte, hatte doch fuͤr mich etwas wahrhaft ſchauerliches, indem ich mir ſelbſt dann vorkam, wie ein abgeſchiedener Geiſt, der noch auf Erden wandle, da Alles ihm ſonſt im Leben befreundete laͤngſt geſtor¬ ben. Dachte ich daran, wie ehemals den be¬ ruͤhmten Kanzelredner Alles freundlich und ehrfurchtsvoll gruͤßte, wie Alles nach ſeiner Unterhaltung, ja nach ein paar Worten von ihm geitzte, ſo ergriff mich bittrer Unmuth. —

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/234>, abgerufen am 30.04.2024.