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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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Seit mehreren Abenden sprach man in
der Gesellschafft die ich besuchte, viel von ei¬
nem fremden Mahler, der angekommen und
eine Ausstellung seiner Gemählde veranstal¬
tet habe: Alle außer mir hatten die Gemälde
schon gesehen, und rühmten ihre Vortrefflich¬
keit so sehr, daß ich mich entschloß auch hin¬
zugehen. Der Mahler war nicht zugegen,
als ich in den Saal trat, doch machte ein
alter Mann den Cicerone und nannte die
Meister der fremden Gemälde, die der Mah¬
ler zugleich mit den seinigen ausgestellt. --
Es waren herrliche Stücke, mehrentheils Ori¬
ginale berühmter Meister, deren Anblick mich
entzückte. -- Bei manchen Bildern, die
der Alte flüchtige, großen Freskogemählden
entnommene Copien nannte, dämmerten in
meiner Seele Erinnerungen aus meiner früh¬
sten Jugend auf. -- Immer deutlicher und
deutlicher, immer lebendiger erglühten sie in
regen Farben. Es waren offenbar Copien
aus der heiligen Linde. So erkannte ich

Seit mehreren Abenden ſprach man in
der Geſellſchafft die ich beſuchte, viel von ei¬
nem fremden Mahler, der angekommen und
eine Ausſtellung ſeiner Gemaͤhlde veranſtal¬
tet habe: Alle außer mir hatten die Gemaͤlde
ſchon geſehen, und ruͤhmten ihre Vortrefflich¬
keit ſo ſehr, daß ich mich entſchloß auch hin¬
zugehen. Der Mahler war nicht zugegen,
als ich in den Saal trat, doch machte ein
alter Mann den Cicerone und nannte die
Meiſter der fremden Gemaͤlde, die der Mah¬
ler zugleich mit den ſeinigen ausgeſtellt. —
Es waren herrliche Stuͤcke, mehrentheils Ori¬
ginale beruͤhmter Meiſter, deren Anblick mich
entzuͤckte. — Bei manchen Bildern, die
der Alte fluͤchtige, großen Freskogemaͤhlden
entnommene Copien nannte, daͤmmerten in
meiner Seele Erinnerungen aus meiner fruͤh¬
ſten Jugend auf. — Immer deutlicher und
deutlicher, immer lebendiger ergluͤhten ſie in
regen Farben. Es waren offenbar Copien
aus der heiligen Linde. So erkannte ich

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[221/0237] Seit mehreren Abenden ſprach man in der Geſellſchafft die ich beſuchte, viel von ei¬ nem fremden Mahler, der angekommen und eine Ausſtellung ſeiner Gemaͤhlde veranſtal¬ tet habe: Alle außer mir hatten die Gemaͤlde ſchon geſehen, und ruͤhmten ihre Vortrefflich¬ keit ſo ſehr, daß ich mich entſchloß auch hin¬ zugehen. Der Mahler war nicht zugegen, als ich in den Saal trat, doch machte ein alter Mann den Cicerone und nannte die Meiſter der fremden Gemaͤlde, die der Mah¬ ler zugleich mit den ſeinigen ausgeſtellt. — Es waren herrliche Stuͤcke, mehrentheils Ori¬ ginale beruͤhmter Meiſter, deren Anblick mich entzuͤckte. — Bei manchen Bildern, die der Alte fluͤchtige, großen Freskogemaͤhlden entnommene Copien nannte, daͤmmerten in meiner Seele Erinnerungen aus meiner fruͤh¬ ſten Jugend auf. — Immer deutlicher und deutlicher, immer lebendiger ergluͤhten ſie in regen Farben. Es waren offenbar Copien aus der heiligen Linde. So erkannte ich

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/237>, abgerufen am 30.04.2024.