Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

auch bei einer heiligen Familie in Josephs
Zügen ganz das Gesicht jenes fremden Pil¬
gers, der mir den wunderbaren Knaben
brachte. Das Gefühl der tiefsten Wehmuth
durchdrang mich, aber eines lauten Ausrufs
konnte ich mich nicht erwehren, als mein
Blick auf ein lebensgroßes Portrait fiel, in
dem ich die Fürstin, meine Pflegemutter, er¬
kannte. Sie war herrlich, und mit jener im
höchsten Sinn aufgefaßten Aehnlichkeit, wie
Van Dyk seine Portraits mahlte, in der
Tracht, wie sie in der Prozession am Ber¬
nardustage vor den Nonnen einherzuschreiten
pflegte, gemahlt. Der Mahler hatte gerade
den Moment ergriffen, als sie nach vollende¬
tem Gebet sich anschickt aus ihrem Zimmer
zu treten um die Prozession zu beginnen, auf
welche das versammelte Volk in der Kirche,
die sich in der Perspektive des Hintergrun¬
des öffnet, erwartungsvoll harrt. In dem
Blick der herrlichen Frau lag ganz der Aus¬
druck des zum himmlischen erhobenen Ge¬

auch bei einer heiligen Familie in Joſephs
Zuͤgen ganz das Geſicht jenes fremden Pil¬
gers, der mir den wunderbaren Knaben
brachte. Das Gefuͤhl der tiefſten Wehmuth
durchdrang mich, aber eines lauten Ausrufs
konnte ich mich nicht erwehren, als mein
Blick auf ein lebensgroßes Portrait fiel, in
dem ich die Fuͤrſtin, meine Pflegemutter, er¬
kannte. Sie war herrlich, und mit jener im
hoͤchſten Sinn aufgefaßten Aehnlichkeit, wie
Van Dyk ſeine Portraits mahlte, in der
Tracht, wie ſie in der Prozeſſion am Ber¬
nardustage vor den Nonnen einherzuſchreiten
pflegte, gemahlt. Der Mahler hatte gerade
den Moment ergriffen, als ſie nach vollende¬
tem Gebet ſich anſchickt aus ihrem Zimmer
zu treten um die Prozeſſion zu beginnen, auf
welche das verſammelte Volk in der Kirche,
die ſich in der Perſpektive des Hintergrun¬
des oͤffnet, erwartungsvoll harrt. In dem
Blick der herrlichen Frau lag ganz der Aus¬
druck des zum himmliſchen erhobenen Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0238" n="222"/>
auch bei einer heiligen Familie in Jo&#x017F;ephs<lb/>
Zu&#x0364;gen ganz das Ge&#x017F;icht jenes fremden Pil¬<lb/>
gers, der mir den wunderbaren Knaben<lb/>
brachte. Das Gefu&#x0364;hl der tief&#x017F;ten Wehmuth<lb/>
durchdrang mich, aber eines lauten Ausrufs<lb/>
konnte ich mich nicht erwehren, als mein<lb/>
Blick auf ein lebensgroßes Portrait fiel, in<lb/>
dem ich die Fu&#x0364;r&#x017F;tin, meine Pflegemutter, er¬<lb/>
kannte. Sie war herrlich, und mit jener im<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Sinn aufgefaßten Aehnlichkeit, wie<lb/>
Van Dyk &#x017F;eine Portraits mahlte, in der<lb/>
Tracht, wie &#x017F;ie in der Proze&#x017F;&#x017F;ion am Ber¬<lb/>
nardustage vor den Nonnen einherzu&#x017F;chreiten<lb/>
pflegte, gemahlt. Der Mahler hatte gerade<lb/>
den Moment ergriffen, als &#x017F;ie nach vollende¬<lb/>
tem Gebet &#x017F;ich an&#x017F;chickt aus ihrem Zimmer<lb/>
zu treten um die Proze&#x017F;&#x017F;ion zu beginnen, auf<lb/>
welche das ver&#x017F;ammelte Volk in der Kirche,<lb/>
die &#x017F;ich in der Per&#x017F;pektive des Hintergrun¬<lb/>
des o&#x0364;ffnet, erwartungsvoll harrt. In dem<lb/>
Blick der herrlichen Frau lag ganz der Aus¬<lb/>
druck des zum himmli&#x017F;chen erhobenen Ge¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0238] auch bei einer heiligen Familie in Joſephs Zuͤgen ganz das Geſicht jenes fremden Pil¬ gers, der mir den wunderbaren Knaben brachte. Das Gefuͤhl der tiefſten Wehmuth durchdrang mich, aber eines lauten Ausrufs konnte ich mich nicht erwehren, als mein Blick auf ein lebensgroßes Portrait fiel, in dem ich die Fuͤrſtin, meine Pflegemutter, er¬ kannte. Sie war herrlich, und mit jener im hoͤchſten Sinn aufgefaßten Aehnlichkeit, wie Van Dyk ſeine Portraits mahlte, in der Tracht, wie ſie in der Prozeſſion am Ber¬ nardustage vor den Nonnen einherzuſchreiten pflegte, gemahlt. Der Mahler hatte gerade den Moment ergriffen, als ſie nach vollende¬ tem Gebet ſich anſchickt aus ihrem Zimmer zu treten um die Prozeſſion zu beginnen, auf welche das verſammelte Volk in der Kirche, die ſich in der Perſpektive des Hintergrun¬ des oͤffnet, erwartungsvoll harrt. In dem Blick der herrlichen Frau lag ganz der Aus¬ druck des zum himmliſchen erhobenen Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/238
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/238>, abgerufen am 30.04.2024.