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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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So ermuthigte ich mich zum Frevel, in¬
dem ich das Bild anstarrte. Der Alte schien
über mich verwundert. Er kramte viel Worte
aus über Zeichnung, Ton, Kolorit, ich hörte
ihn nicht. Der Gedanke an Aurelie, die Hoff¬
nung, die nur aufgeschobene böse That noch
zu vollbringen, erfüllte mich so ganz und gar,
daß ich forteilte ohne nach dem fremden Ma¬
ler zu fragen, und so vielleicht näher zu er¬
forschen, was für eine Bewandniß es mit
den Gemählden haben könne, die wie in ei¬
nem Cyklus Andeutungen über mein ganzes
Leben enthielten. -- Um Aureliens Besitz
war ich entschlossen alles zu wagen, ja es
war mir, als ob ich selbst über die Erschei¬
nungen meines Lebens gestellt und sie durch¬
schauend, niemals zu fürchten, und daher auch
niemals zu wagen haben könne. Ich brü¬
tete über allerlei Pläne und Entwürfe, mei¬
nem Ziele näher zu kommen, vorzüglich
glaubte ich nun, von dem fremden Maler
manches zu erfahren und manche mir fremde

So ermuthigte ich mich zum Frevel, in¬
dem ich das Bild anſtarrte. Der Alte ſchien
uͤber mich verwundert. Er kramte viel Worte
aus uͤber Zeichnung, Ton, Kolorit, ich hoͤrte
ihn nicht. Der Gedanke an Aurelie, die Hoff¬
nung, die nur aufgeſchobene boͤſe That noch
zu vollbringen, erfuͤllte mich ſo ganz und gar,
daß ich forteilte ohne nach dem fremden Ma¬
ler zu fragen, und ſo vielleicht naͤher zu er¬
forſchen, was fuͤr eine Bewandniß es mit
den Gemaͤhlden haben koͤnne, die wie in ei¬
nem Cyklus Andeutungen uͤber mein ganzes
Leben enthielten. — Um Aureliens Beſitz
war ich entſchloſſen alles zu wagen, ja es
war mir, als ob ich ſelbſt uͤber die Erſchei¬
nungen meines Lebens geſtellt und ſie durch¬
ſchauend, niemals zu fuͤrchten, und daher auch
niemals zu wagen haben koͤnne. Ich bruͤ¬
tete uͤber allerlei Plaͤne und Entwuͤrfe, mei¬
nem Ziele naͤher zu kommen, vorzuͤglich
glaubte ich nun, von dem fremden Maler
manches zu erfahren und manche mir fremde

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[226/0242] So ermuthigte ich mich zum Frevel, in¬ dem ich das Bild anſtarrte. Der Alte ſchien uͤber mich verwundert. Er kramte viel Worte aus uͤber Zeichnung, Ton, Kolorit, ich hoͤrte ihn nicht. Der Gedanke an Aurelie, die Hoff¬ nung, die nur aufgeſchobene boͤſe That noch zu vollbringen, erfuͤllte mich ſo ganz und gar, daß ich forteilte ohne nach dem fremden Ma¬ ler zu fragen, und ſo vielleicht naͤher zu er¬ forſchen, was fuͤr eine Bewandniß es mit den Gemaͤhlden haben koͤnne, die wie in ei¬ nem Cyklus Andeutungen uͤber mein ganzes Leben enthielten. — Um Aureliens Beſitz war ich entſchloſſen alles zu wagen, ja es war mir, als ob ich ſelbſt uͤber die Erſchei¬ nungen meines Lebens geſtellt und ſie durch¬ ſchauend, niemals zu fuͤrchten, und daher auch niemals zu wagen haben koͤnne. Ich bruͤ¬ tete uͤber allerlei Plaͤne und Entwuͤrfe, mei¬ nem Ziele naͤher zu kommen, vorzuͤglich glaubte ich nun, von dem fremden Maler manches zu erfahren und manche mir fremde

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/242>, abgerufen am 30.04.2024.