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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Lehnstuhl sitzend. Zwei wunderschöne geist¬
lich gekleidete Knaben bedienten ihn mit
Eiswasser und durchfächelten das Zimmer,
mit Reiherbüschen, um, da der Tag über¬
heiß war, die Kühle zu erhalten. Demüthig
trat ich auf ihn zu und machte die gewöhn¬
liche Kniebeugung. Er sah mich scharf an,
der Blick hatte aber etwas gutmüthiges und
statt des strengen Ernstes, der sonst, wie ich
aus der Ferne wahrzunehmen geglaubt, auf
seinem Gesicht ruhte, ging ein sanftes Lä¬
cheln durch alle Züge. Er frug, woher ich
käme, was mich nach Rom gebracht -- kurz
das gewöhnlichste über meine persönliche Ver¬
hältnisse, und stand dann auf, indem er sprach:
"Ich ließ Euch rufen, weil man mir von Eu¬
rer seltenen Frömmigkeit erzählt. -- Warum,
Mönch Medardus, treibst Du Deine Andachts¬
übungen öffentlich vor dem Volk in den be¬
suchtesten Kirchen? -- Gedenkst Du zu erschei¬
nen als ein Heiliger des Herrn und angebe¬
tet zu werden von dem fanatischen Pöbel,

Lehnſtuhl ſitzend. Zwei wunderſchoͤne geiſt¬
lich gekleidete Knaben bedienten ihn mit
Eiswaſſer und durchfaͤchelten das Zimmer,
mit Reiherbuͤſchen, um, da der Tag uͤber¬
heiß war, die Kuͤhle zu erhalten. Demuͤthig
trat ich auf ihn zu und machte die gewoͤhn¬
liche Kniebeugung. Er ſah mich ſcharf an,
der Blick hatte aber etwas gutmuͤthiges und
ſtatt des ſtrengen Ernſtes, der ſonſt, wie ich
aus der Ferne wahrzunehmen geglaubt, auf
ſeinem Geſicht ruhte, ging ein ſanftes Laͤ¬
cheln durch alle Zuͤge. Er frug, woher ich
kaͤme, was mich nach Rom gebracht — kurz
das gewoͤhnlichſte uͤber meine perſoͤnliche Ver¬
haͤltniſſe, und ſtand dann auf, indem er ſprach:
„Ich ließ Euch rufen, weil man mir von Eu¬
rer ſeltenen Froͤmmigkeit erzaͤhlt. — Warum,
Moͤnch Medardus, treibſt Du Deine Andachts¬
uͤbungen oͤffentlich vor dem Volk in den be¬
ſuchteſten Kirchen? — Gedenkſt Du zu erſchei¬
nen als ein Heiliger des Herrn und angebe¬
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[254/0262] Lehnſtuhl ſitzend. Zwei wunderſchoͤne geiſt¬ lich gekleidete Knaben bedienten ihn mit Eiswaſſer und durchfaͤchelten das Zimmer, mit Reiherbuͤſchen, um, da der Tag uͤber¬ heiß war, die Kuͤhle zu erhalten. Demuͤthig trat ich auf ihn zu und machte die gewoͤhn¬ liche Kniebeugung. Er ſah mich ſcharf an, der Blick hatte aber etwas gutmuͤthiges und ſtatt des ſtrengen Ernſtes, der ſonſt, wie ich aus der Ferne wahrzunehmen geglaubt, auf ſeinem Geſicht ruhte, ging ein ſanftes Laͤ¬ cheln durch alle Zuͤge. Er frug, woher ich kaͤme, was mich nach Rom gebracht — kurz das gewoͤhnlichſte uͤber meine perſoͤnliche Ver¬ haͤltniſſe, und ſtand dann auf, indem er ſprach: „Ich ließ Euch rufen, weil man mir von Eu¬ rer ſeltenen Froͤmmigkeit erzaͤhlt. — Warum, Moͤnch Medardus, treibſt Du Deine Andachts¬ uͤbungen oͤffentlich vor dem Volk in den be¬ ſuchteſten Kirchen? — Gedenkſt Du zu erſchei¬ nen als ein Heiliger des Herrn und angebe¬ tet zu werden von dem fanatiſchen Poͤbel,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/262>, abgerufen am 28.04.2024.