schöpfe, ihr zu widerstehen. Dann offen¬ bart sich die Macht des Herrn, daß, so wie das Leben der Natur durch das Gift, das sittlich gute Prinzip in ihr erst durch das Böse bedingt wird. -- Ich darf zu Dir so sprechen, Medardus! da ich weiß, daß Du mich nicht mißverstehest. Gehe jetzt zu den Brüdern." --
In dem Augenblick erfaßte mich, wie ein jäher alle Nerven und Pulse durchzuckender Schmerz, die Sehnsucht der höchsten Liebe; Aurelie -- ach Aurelie! rief ich laut. Der Prior stand auf und sprach in sehr ernstem Ton: "Du hast wahrscheinlich die Zuberei¬ tungen zu einem großen Feste in dem Kloster bemerkt? -- Aurelie wird morgen eingeklei¬ det und erhält den Klosternamen Rosalia." -- Erstarrt -- lautlos blieb ich vor dem Prior stehen. "Gehe zu den Brüdern" rief er bei¬ nahe zornig, und ohne deutliches Bewußtseyn stieg ich hinab in das Refektorium, wo die Brüder versammelt waren. Man bestürmte
II. [ 22 ]
ſchoͤpfe, ihr zu widerſtehen. Dann offen¬ bart ſich die Macht des Herrn, daß, ſo wie das Leben der Natur durch das Gift, das ſittlich gute Prinzip in ihr erſt durch das Boͤſe bedingt wird. — Ich darf zu Dir ſo ſprechen, Medardus! da ich weiß, daß Du mich nicht mißverſteheſt. Gehe jetzt zu den Bruͤdern.“ —
In dem Augenblick erfaßte mich, wie ein jaͤher alle Nerven und Pulſe durchzuckender Schmerz, die Sehnſucht der hoͤchſten Liebe; Aurelie — ach Aurelie! rief ich laut. Der Prior ſtand auf und ſprach in ſehr ernſtem Ton: „Du haſt wahrſcheinlich die Zuberei¬ tungen zu einem großen Feſte in dem Kloſter bemerkt? — Aurelie wird morgen eingeklei¬ det und erhaͤlt den Kloſternamen Roſalia.“ — Erſtarrt — lautlos blieb ich vor dem Prior ſtehen. „Gehe zu den Bruͤdern“ rief er bei¬ nahe zornig, und ohne deutliches Bewußtſeyn ſtieg ich hinab in das Refektorium, wo die Bruͤder verſammelt waren. Man beſtuͤrmte
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ſchoͤpfe, ihr zu widerſtehen. Dann offen¬
bart ſich die Macht des Herrn, daß, ſo wie
das Leben der Natur durch das Gift, das
ſittlich gute Prinzip in ihr erſt durch das
Boͤſe bedingt wird. — Ich darf zu Dir ſo
ſprechen, Medardus! da ich weiß, daß Du
mich nicht mißverſteheſt. Gehe jetzt zu den
Bruͤdern.“ —
In dem Augenblick erfaßte mich, wie ein
jaͤher alle Nerven und Pulſe durchzuckender
Schmerz, die Sehnſucht der hoͤchſten Liebe;
Aurelie — ach Aurelie! rief ich laut. Der
Prior ſtand auf und ſprach in ſehr ernſtem
Ton: „Du haſt wahrſcheinlich die Zuberei¬
tungen zu einem großen Feſte in dem Kloſter
bemerkt? — Aurelie wird morgen eingeklei¬
det und erhaͤlt den Kloſternamen Roſalia.“ —
Erſtarrt — lautlos blieb ich vor dem Prior
ſtehen. „Gehe zu den Bruͤdern“ rief er bei¬
nahe zornig, und ohne deutliches Bewußtſeyn
ſtieg ich hinab in das Refektorium, wo die
Bruͤder verſammelt waren. Man beſtuͤrmte
II. [ 22 ]
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/345>, abgerufen am 15.05.2024.
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