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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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flammis acribus addictis, fühlte ich mich er¬
beben, aber bei dem Voca me cum bene¬
dictis
war es mir, als sähe ich in himmli¬
scher Sonnenklarheit Aurelien, wie sie erst
auf mich niederblickte und dann ihr von ei¬
nem stralenden Sternenringe umgebenes
Haupt zum höchsten Wesen erhob, um für
das ewige Heil meiner Seele zu bitten! --
Oro supplex et acclinis cor contritum quasi
cinis!
-- Niedersank ich in den Staub,
aber wie wenig glich mein inneres Gefühl,
mein demüthiges Flehen, jener leidenschaftli¬
chen Zerknirschung, jenen grausamen wilden
Bußübungen im Kapuzinerkloster. Erst jetzt
war mein Geist fähig, das Wahre von dem
Falschen zu unterscheiden, und bei diesem
klaren Bewußtseyn mußte jede neue Prüfung
des Feindes wirkungslos bleiben. Nicht Au¬
reliens Tod, sondern nur die als gräßlich
und entsetzlich erscheinende Art desselben hat¬
te mich in den ersten Augenblicken so tief
erschüttert; aber wie bald erkannte ich, daß

flammis acribus addictis, fuͤhlte ich mich er¬
beben, aber bei dem Voca me cum bene¬
dictis
war es mir, als ſaͤhe ich in himmli¬
ſcher Sonnenklarheit Aurelien, wie ſie erſt
auf mich niederblickte und dann ihr von ei¬
nem ſtralenden Sternenringe umgebenes
Haupt zum hoͤchſten Weſen erhob, um fuͤr
das ewige Heil meiner Seele zu bitten! —
Oro supplex et acclinis cor contritum quasi
cinis!
— Niederſank ich in den Staub,
aber wie wenig glich mein inneres Gefuͤhl,
mein demuͤthiges Flehen, jener leidenſchaftli¬
chen Zerknirſchung, jenen grauſamen wilden
Bußuͤbungen im Kapuzinerkloſter. Erſt jetzt
war mein Geiſt faͤhig, das Wahre von dem
Falſchen zu unterſcheiden, und bei dieſem
klaren Bewußtſeyn mußte jede neue Pruͤfung
des Feindes wirkungslos bleiben. Nicht Au¬
reliens Tod, ſondern nur die als graͤßlich
und entſetzlich erſcheinende Art deſſelben hat¬
te mich in den erſten Augenblicken ſo tief
erſchuͤttert; aber wie bald erkannte ich, daß

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[364/0372] flammis acribus addictis, fuͤhlte ich mich er¬ beben, aber bei dem Voca me cum bene¬ dictis war es mir, als ſaͤhe ich in himmli¬ ſcher Sonnenklarheit Aurelien, wie ſie erſt auf mich niederblickte und dann ihr von ei¬ nem ſtralenden Sternenringe umgebenes Haupt zum hoͤchſten Weſen erhob, um fuͤr das ewige Heil meiner Seele zu bitten! — Oro supplex et acclinis cor contritum quasi cinis! — Niederſank ich in den Staub, aber wie wenig glich mein inneres Gefuͤhl, mein demuͤthiges Flehen, jener leidenſchaftli¬ chen Zerknirſchung, jenen grauſamen wilden Bußuͤbungen im Kapuzinerkloſter. Erſt jetzt war mein Geiſt faͤhig, das Wahre von dem Falſchen zu unterſcheiden, und bei dieſem klaren Bewußtſeyn mußte jede neue Pruͤfung des Feindes wirkungslos bleiben. Nicht Au¬ reliens Tod, ſondern nur die als graͤßlich und entſetzlich erſcheinende Art deſſelben hat¬ te mich in den erſten Augenblicken ſo tief erſchuͤttert; aber wie bald erkannte ich, daß

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/372>, abgerufen am 29.04.2024.