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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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Armen. Wir bemerkten, daß es Tag und
Stunde war, in der voriges Jahr die Non¬
ne Rosalia auf entsetzliche Weise, gleich nach¬
dem sie das Gelübde abgelegt, ermordet wur¬
de. Bei dem Requiem und der Exportation
hat sich noch folgendes ereignet. Bei dem Re¬
quiem nämlich verbreitete sich ein sehr starker
Rosenduft, und wir bemerkten, daß an dem
schönen Bilde der heiligen Rosalia, das von ei¬
nem sehr alten unbekannten italiänischen Maler
verfertigt seyn soll, und das unser Kloster von
den Capuzinern in der Gegend von Rom für
erklekliches Geld erkaufte, so daß sie nur ei¬
ne Copie des Bildes behielten, ein Strauß
der schönsten, in dieser Jahreszeit seltenen
Rosen befestigt war. Der Bruder Pförtner
sagte, daß am frühen Morgen ein zerlump¬
ter, sehr elend aussehender Bettler, von uns
unbemerkt, hinaufgestiegen und den Strauß
an das Bild geheftet habe. Derselbe Bettler
fand sich bei der Exportation ein und dräng¬
te sich unter die Brüder. Wir wollten ihn
zurückweisen, als aber der Prior Leonardus
ihn scharf angeblickt hatte, befahl er, ihn

Armen. Wir bemerkten, daß es Tag und
Stunde war, in der voriges Jahr die Non¬
ne Roſalia auf entſetzliche Weiſe, gleich nach¬
dem ſie das Geluͤbde abgelegt, ermordet wur¬
de. Bei dem Requiem und der Exportation
hat ſich noch folgendes ereignet. Bei dem Re¬
quiem naͤmlich verbreitete ſich ein ſehr ſtarker
Roſenduft, und wir bemerkten, daß an dem
ſchoͤnen Bilde der heiligen Roſalia, das von ei¬
nem ſehr alten unbekannten italiaͤniſchen Maler
verfertigt ſeyn ſoll, und das unſer Kloſter von
den Capuzinern in der Gegend von Rom fuͤr
erklekliches Geld erkaufte, ſo daß ſie nur ei¬
ne Copie des Bildes behielten, ein Strauß
der ſchoͤnſten, in dieſer Jahreszeit ſeltenen
Roſen befeſtigt war. Der Bruder Pfoͤrtner
ſagte, daß am fruͤhen Morgen ein zerlump¬
ter, ſehr elend ausſehender Bettler, von uns
unbemerkt, hinaufgeſtiegen und den Strauß
an das Bild geheftet habe. Derſelbe Bettler
fand ſich bei der Exportation ein und draͤng¬
te ſich unter die Bruͤder. Wir wollten ihn
zuruͤckweiſen, als aber der Prior Leonardus
ihn ſcharf angeblickt hatte, befahl er, ihn

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[373/0381] Armen. Wir bemerkten, daß es Tag und Stunde war, in der voriges Jahr die Non¬ ne Roſalia auf entſetzliche Weiſe, gleich nach¬ dem ſie das Geluͤbde abgelegt, ermordet wur¬ de. Bei dem Requiem und der Exportation hat ſich noch folgendes ereignet. Bei dem Re¬ quiem naͤmlich verbreitete ſich ein ſehr ſtarker Roſenduft, und wir bemerkten, daß an dem ſchoͤnen Bilde der heiligen Roſalia, das von ei¬ nem ſehr alten unbekannten italiaͤniſchen Maler verfertigt ſeyn ſoll, und das unſer Kloſter von den Capuzinern in der Gegend von Rom fuͤr erklekliches Geld erkaufte, ſo daß ſie nur ei¬ ne Copie des Bildes behielten, ein Strauß der ſchoͤnſten, in dieſer Jahreszeit ſeltenen Roſen befeſtigt war. Der Bruder Pfoͤrtner ſagte, daß am fruͤhen Morgen ein zerlump¬ ter, ſehr elend ausſehender Bettler, von uns unbemerkt, hinaufgeſtiegen und den Strauß an das Bild geheftet habe. Derſelbe Bettler fand ſich bei der Exportation ein und draͤng¬ te ſich unter die Bruͤder. Wir wollten ihn zuruͤckweiſen, als aber der Prior Leonardus ihn ſcharf angeblickt hatte, befahl er, ihn

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/381>, abgerufen am 28.04.2024.