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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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"Gattin werden zu können. Man wirft überhaupt
"unserm Geschlecht eine ganz besondere, die Schran¬
"ken des Anstandes überschreitende Vorliebe für das
"schöne Geschlecht vor. Mag dieser Vorwurf auch
"gegründet seyn, so weiß auf der andern Seite je¬
"der -- Doch! -- ohne weitere Umschweife! --
"Ich sah des Königs Sekakis Tochter, die schöne Ga¬
"maheh und wurde augenblicklich so entsetzlich verliebt
"in sie, daß ich mein Volk, mich selbst vergaß und
"nur in der Wonne lebte, auf dem schönsten Hal¬
"se, auf dem schönsten Busen umherzuhüpfen und
"die Holde mit süßen Küßen zu kitzeln. Oft haschte
"sie mit den Rosenfingern nach mir, ohne mich je¬
"mals fangen zu können. Dieß dünkte mir anmu¬
"thiges Kosen, liebliche Tändelei beglückter Liebe! --
"Wie thörigt ist der Sinn eines Verliebten, ist die¬
"ser auch selbst der Meister Floh. -- Es genügt zu sa¬
"gen, daß die arme Gamaheh von dem häßlichen
"Egelprinzen überfallen wurde, der sie zu Tode küßte;
"mir wär' es aber gelungen die Geliebte zu retten,
"hätte sich nicht ein einfältiger Prahlhans und ein
"ungeschickter Tölpel ohne Beruf in die Sache ge¬
"mischt und alles verdorben. Der Prahlhans war
"aber die Distel Zeherit und der Tölpel der Genius
"Thetel. -- Als sich der Genius Thetel mit der ent¬

»Gattin werden zu können. Man wirft überhaupt
»unſerm Geſchlecht eine ganz beſondere, die Schran¬
»ken des Anſtandes überſchreitende Vorliebe für das
»ſchöne Geſchlecht vor. Mag dieſer Vorwurf auch
»gegründet ſeyn, ſo weiß auf der andern Seite je¬
»der — Doch! — ohne weitere Umſchweife! —
»Ich ſah des Königs Sekakis Tochter, die ſchöne Ga¬
»maheh und wurde augenblicklich ſo entſetzlich verliebt
»in ſie, daß ich mein Volk, mich ſelbſt vergaß und
»nur in der Wonne lebte, auf dem ſchönſten Hal¬
»ſe, auf dem ſchönſten Buſen umherzuhüpfen und
»die Holde mit ſüßen Küßen zu kitzeln. Oft haſchte
»ſie mit den Roſenfingern nach mir, ohne mich je¬
»mals fangen zu können. Dieß dünkte mir anmu¬
»thiges Koſen, liebliche Tändelei beglückter Liebe! —
»Wie thörigt iſt der Sinn eines Verliebten, iſt die¬
»ſer auch ſelbſt der Meiſter Floh. — Es genügt zu ſa¬
»gen, daß die arme Gamaheh von dem häßlichen
»Egelprinzen überfallen wurde, der ſie zu Tode küßte;
»mir wär' es aber gelungen die Geliebte zu retten,
»hätte ſich nicht ein einfältiger Prahlhans und ein
»ungeſchickter Tölpel ohne Beruf in die Sache ge¬
»miſcht und alles verdorben. Der Prahlhans war
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[90/0095] »Gattin werden zu können. Man wirft überhaupt »unſerm Geſchlecht eine ganz beſondere, die Schran¬ »ken des Anſtandes überſchreitende Vorliebe für das »ſchöne Geſchlecht vor. Mag dieſer Vorwurf auch »gegründet ſeyn, ſo weiß auf der andern Seite je¬ »der — Doch! — ohne weitere Umſchweife! — »Ich ſah des Königs Sekakis Tochter, die ſchöne Ga¬ »maheh und wurde augenblicklich ſo entſetzlich verliebt »in ſie, daß ich mein Volk, mich ſelbſt vergaß und »nur in der Wonne lebte, auf dem ſchönſten Hal¬ »ſe, auf dem ſchönſten Buſen umherzuhüpfen und »die Holde mit ſüßen Küßen zu kitzeln. Oft haſchte »ſie mit den Roſenfingern nach mir, ohne mich je¬ »mals fangen zu können. Dieß dünkte mir anmu¬ »thiges Koſen, liebliche Tändelei beglückter Liebe! — »Wie thörigt iſt der Sinn eines Verliebten, iſt die¬ »ſer auch ſelbſt der Meiſter Floh. — Es genügt zu ſa¬ »gen, daß die arme Gamaheh von dem häßlichen »Egelprinzen überfallen wurde, der ſie zu Tode küßte; »mir wär' es aber gelungen die Geliebte zu retten, »hätte ſich nicht ein einfältiger Prahlhans und ein »ungeſchickter Tölpel ohne Beruf in die Sache ge¬ »miſcht und alles verdorben. Der Prahlhans war »aber die Diſtel Zeherit und der Tölpel der Genius »Thetel. — Als ſich der Genius Thetel mit der ent¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/95>, abgerufen am 28.04.2024.