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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Himmelswonne selbst, von der die Eltern erfüllt
werden, wenn sie ihr Kind schauen, das stumm
und still an der Mutter Brust liegend, doch mit
gar beredten Zungen von ihrer Liebe, von ihrem
höchsten Lebensglück spricht. -- Nein, lieber
Herr! so groß auch die Wohlthaten sind, die Ihr
uns erzeigt habt, so wiegen sie doch lange nicht
das auf, was uns unser Kind werth ist; denn
wo gäbe es Schätze der Welt, die diesem Besitz
gleich zu stellen? Scheltet uns daher nicht un¬
dankbar, lieber Herr! daß wir Euch Euer Ansin¬
nen so ganz und gar abschlagen. Wäret Ihr
selbst Vater, so bedürfte es weiter gar keiner
Entschuldigung für uns." -- "Nun, nun," erwie¬
derte der Fremde, indem er finster seitwärts
blickte, "ich glaubte Euch wohl zu thun, indem
ich Euern Sohn reich und glücklich machte. Seid
Ihr nicht damit zufrieden, so ist davon weiter
nicht die Rede." -- Giorgina küßte und
herzte den Knaben, als sei er aus großer Gefahr
errettet, und ihr wiedergegeben worden. Der

Himmelswonne ſelbſt, von der die Eltern erfuͤllt
werden, wenn ſie ihr Kind ſchauen, das ſtumm
und ſtill an der Mutter Bruſt liegend, doch mit
gar beredten Zungen von ihrer Liebe, von ihrem
hoͤchſten Lebensgluͤck ſpricht. — Nein, lieber
Herr! ſo groß auch die Wohlthaten ſind, die Ihr
uns erzeigt habt, ſo wiegen ſie doch lange nicht
das auf, was uns unſer Kind werth iſt; denn
wo gaͤbe es Schaͤtze der Welt, die dieſem Beſitz
gleich zu ſtellen? Scheltet uns daher nicht un¬
dankbar, lieber Herr! daß wir Euch Euer Anſin¬
nen ſo ganz und gar abſchlagen. Waͤret Ihr
ſelbſt Vater, ſo beduͤrfte es weiter gar keiner
Entſchuldigung fuͤr uns.“ — „Nun, nun,“ erwie¬
derte der Fremde, indem er finſter ſeitwaͤrts
blickte, „ich glaubte Euch wohl zu thun, indem
ich Euern Sohn reich und gluͤcklich machte. Seid
Ihr nicht damit zufrieden, ſo iſt davon weiter
nicht die Rede.“ — Giorgina kuͤßte und
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[114/0122] Himmelswonne ſelbſt, von der die Eltern erfuͤllt werden, wenn ſie ihr Kind ſchauen, das ſtumm und ſtill an der Mutter Bruſt liegend, doch mit gar beredten Zungen von ihrer Liebe, von ihrem hoͤchſten Lebensgluͤck ſpricht. — Nein, lieber Herr! ſo groß auch die Wohlthaten ſind, die Ihr uns erzeigt habt, ſo wiegen ſie doch lange nicht das auf, was uns unſer Kind werth iſt; denn wo gaͤbe es Schaͤtze der Welt, die dieſem Beſitz gleich zu ſtellen? Scheltet uns daher nicht un¬ dankbar, lieber Herr! daß wir Euch Euer Anſin¬ nen ſo ganz und gar abſchlagen. Waͤret Ihr ſelbſt Vater, ſo beduͤrfte es weiter gar keiner Entſchuldigung fuͤr uns.“ — „Nun, nun,“ erwie¬ derte der Fremde, indem er finſter ſeitwaͤrts blickte, „ich glaubte Euch wohl zu thun, indem ich Euern Sohn reich und gluͤcklich machte. Seid Ihr nicht damit zufrieden, ſo iſt davon weiter nicht die Rede.“ — Giorgina kuͤßte und herzte den Knaben, als ſei er aus großer Gefahr errettet, und ihr wiedergegeben worden. Der

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/122>, abgerufen am 04.05.2024.