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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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statt dessen wurde er sehr ernsthaft, starrte in den
Boden hinein, warf dann den Kopf schnell in die
Höhe und sprach, mich mit dem brennenden Blick
seiner Augen anschauend: "Ich kenne dein Buch
nicht, Vetter! aber weder seinem, noch dem Geist
des Punsches hast du jenen Geisterspuk zu verdan¬
ken. Wisse, daß ich dasselbe, was dir widerfuhr,
träumte. Ich saß, so wie du (so kam es mir vor),
im Lehnstuhl bei dem Kamin, aber was sich dir nur
in Tönen kund gethan, das sah ich, mit dem innern
Auge es deutlich erfassend. Ja! ich erblickte den
graulichen Unhold, wie er hereintrat, wie er kraft¬
los an die vermauerte Thür schlich, wie er in
trostloser Verzweiflung an der Wand kratzte, daß
das Blut unter den zerrissenen Nägeln heraus¬
quoll, wie er dann hinabstieg, das Pferd aus dem
Stalle zog und in den Stall zurückbrachte. Hast
du es gehört, wie der Hahn im fernen Gehöfte
des Dorfes krähte? -- Da wecktest du mich und
ich widerstand bald dem bösen Spuk des entsetzlichen
Menschen, der noch vermag, das heitre Leben

ſtatt deſſen wurde er ſehr ernſthaft, ſtarrte in den
Boden hinein, warf dann den Kopf ſchnell in die
Hoͤhe und ſprach, mich mit dem brennenden Blick
ſeiner Augen anſchauend: „Ich kenne dein Buch
nicht, Vetter! aber weder ſeinem, noch dem Geiſt
des Punſches haſt du jenen Geiſterſpuk zu verdan¬
ken. Wiſſe, daß ich daſſelbe, was dir widerfuhr,
traͤumte. Ich ſaß, ſo wie du (ſo kam es mir vor),
im Lehnſtuhl bei dem Kamin, aber was ſich dir nur
in Toͤnen kund gethan, das ſah ich, mit dem innern
Auge es deutlich erfaſſend. Ja! ich erblickte den
graulichen Unhold, wie er hereintrat, wie er kraft¬
los an die vermauerte Thuͤr ſchlich, wie er in
troſtloſer Verzweiflung an der Wand kratzte, daß
das Blut unter den zerriſſenen Naͤgeln heraus¬
quoll, wie er dann hinabſtieg, das Pferd aus dem
Stalle zog und in den Stall zuruͤckbrachte. Haſt
du es gehoͤrt, wie der Hahn im fernen Gehoͤfte
des Dorfes kraͤhte? — Da weckteſt du mich und
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[100/0108] ſtatt deſſen wurde er ſehr ernſthaft, ſtarrte in den Boden hinein, warf dann den Kopf ſchnell in die Hoͤhe und ſprach, mich mit dem brennenden Blick ſeiner Augen anſchauend: „Ich kenne dein Buch nicht, Vetter! aber weder ſeinem, noch dem Geiſt des Punſches haſt du jenen Geiſterſpuk zu verdan¬ ken. Wiſſe, daß ich daſſelbe, was dir widerfuhr, traͤumte. Ich ſaß, ſo wie du (ſo kam es mir vor), im Lehnſtuhl bei dem Kamin, aber was ſich dir nur in Toͤnen kund gethan, das ſah ich, mit dem innern Auge es deutlich erfaſſend. Ja! ich erblickte den graulichen Unhold, wie er hereintrat, wie er kraft¬ los an die vermauerte Thuͤr ſchlich, wie er in troſtloſer Verzweiflung an der Wand kratzte, daß das Blut unter den zerriſſenen Naͤgeln heraus¬ quoll, wie er dann hinabſtieg, das Pferd aus dem Stalle zog und in den Stall zuruͤckbrachte. Haſt du es gehoͤrt, wie der Hahn im fernen Gehoͤfte des Dorfes kraͤhte? — Da weckteſt du mich und ich widerſtand bald dem boͤſen Spuk des entſetzlichen Menſchen, der noch vermag, das heitre Leben

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/108>, abgerufen am 12.05.2024.