Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

hineinschlucken, aber wie gesagt, die Baronessen
sammt ihrem Geplapper waren und blieben gespen¬
stisch, und der Alte, der mir eine besondere Lust
bereiten wollte, blickte mich einmal übers andere
ganz verwundert an. So wie wir nach Tische in
unserm Zimmer allein waren, brach er los: "Aber,
Vetter, sag mir um des Himmelswillen, was ist
dir? -- Du lachst nicht, du sprichst nicht, du issest
nicht, du trinkst nicht? -- Bist du krank? oder
fehlt es sonst woran?" -- Ich nahm jetzt gar kei¬
nen Anstand ihm alles Grauliche, Entsetzliche, was
ich in voriger Nacht überstanden, ganz ausführlich
zu erzählen. Nichts verschwieg ich, vorzüglich
auch nicht, das ich viel Punsch getrunken und in
Schillers Geisterseher gelesen. "Bekennen muß
ich dies," setzte ich hinzu, "denn so wird es glaub¬
lich, daß meine überreizte arbeitende Fantasie all
die Erscheinungen schuf, die nur innerhalb den
Wänden meines Gehirns existirten" Ich glaubte,
daß nun der Großonkel mir derb zusetzen würde
mit körnigten Späßen über meine Geisterseherei,

G 2

hineinſchlucken, aber wie geſagt, die Baroneſſen
ſammt ihrem Geplapper waren und blieben geſpen¬
ſtiſch, und der Alte, der mir eine beſondere Luſt
bereiten wollte, blickte mich einmal uͤbers andere
ganz verwundert an. So wie wir nach Tiſche in
unſerm Zimmer allein waren, brach er los: „Aber,
Vetter, ſag mir um des Himmelswillen, was iſt
dir? — Du lachſt nicht, du ſprichſt nicht, du iſſeſt
nicht, du trinkſt nicht? — Biſt du krank? oder
fehlt es ſonſt woran?“ — Ich nahm jetzt gar kei¬
nen Anſtand ihm alles Grauliche, Entſetzliche, was
ich in voriger Nacht uͤberſtanden, ganz ausfuͤhrlich
zu erzaͤhlen. Nichts verſchwieg ich, vorzuͤglich
auch nicht, das ich viel Punſch getrunken und in
Schillers Geiſterſeher geleſen. „Bekennen muß
ich dies,“ ſetzte ich hinzu, „denn ſo wird es glaub¬
lich, daß meine uͤberreizte arbeitende Fantaſie all
die Erſcheinungen ſchuf, die nur innerhalb den
Waͤnden meines Gehirns exiſtirten“ Ich glaubte,
daß nun der Großonkel mir derb zuſetzen wuͤrde
mit koͤrnigten Spaͤßen uͤber meine Geiſterſeherei,

G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="99"/>
hinein&#x017F;chlucken, aber wie ge&#x017F;agt, die Barone&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ammt ihrem Geplapper waren und blieben ge&#x017F;pen¬<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;ch, und der Alte, der mir eine be&#x017F;ondere Lu&#x017F;t<lb/>
bereiten wollte, blickte mich einmal u&#x0364;bers andere<lb/>
ganz verwundert an. So wie wir nach Ti&#x017F;che in<lb/>
un&#x017F;erm Zimmer allein waren, brach er los: &#x201E;Aber,<lb/>
Vetter, &#x017F;ag mir um des Himmelswillen, was i&#x017F;t<lb/>
dir? &#x2014; Du lach&#x017F;t nicht, du &#x017F;prich&#x017F;t nicht, du i&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t<lb/>
nicht, du trink&#x017F;t nicht? &#x2014; Bi&#x017F;t du krank? oder<lb/>
fehlt es &#x017F;on&#x017F;t woran?&#x201C; &#x2014; Ich nahm jetzt gar kei¬<lb/>
nen An&#x017F;tand ihm alles Grauliche, Ent&#x017F;etzliche, was<lb/>
ich in voriger Nacht u&#x0364;ber&#x017F;tanden, ganz ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
zu erza&#x0364;hlen. Nichts ver&#x017F;chwieg ich, vorzu&#x0364;glich<lb/>
auch nicht, das ich viel Pun&#x017F;ch getrunken und in<lb/>
Schillers Gei&#x017F;ter&#x017F;eher gele&#x017F;en. &#x201E;Bekennen muß<lb/>
ich dies,&#x201C; &#x017F;etzte ich hinzu, &#x201E;denn &#x017F;o wird es glaub¬<lb/>
lich, daß meine u&#x0364;berreizte arbeitende Fanta&#x017F;ie all<lb/>
die Er&#x017F;cheinungen &#x017F;chuf, die nur innerhalb den<lb/>
Wa&#x0364;nden meines Gehirns exi&#x017F;tirten&#x201C; Ich glaubte,<lb/>
daß nun der Großonkel mir derb zu&#x017F;etzen wu&#x0364;rde<lb/>
mit ko&#x0364;rnigten Spa&#x0364;ßen u&#x0364;ber meine Gei&#x017F;ter&#x017F;eherei,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0107] hineinſchlucken, aber wie geſagt, die Baroneſſen ſammt ihrem Geplapper waren und blieben geſpen¬ ſtiſch, und der Alte, der mir eine beſondere Luſt bereiten wollte, blickte mich einmal uͤbers andere ganz verwundert an. So wie wir nach Tiſche in unſerm Zimmer allein waren, brach er los: „Aber, Vetter, ſag mir um des Himmelswillen, was iſt dir? — Du lachſt nicht, du ſprichſt nicht, du iſſeſt nicht, du trinkſt nicht? — Biſt du krank? oder fehlt es ſonſt woran?“ — Ich nahm jetzt gar kei¬ nen Anſtand ihm alles Grauliche, Entſetzliche, was ich in voriger Nacht uͤberſtanden, ganz ausfuͤhrlich zu erzaͤhlen. Nichts verſchwieg ich, vorzuͤglich auch nicht, das ich viel Punſch getrunken und in Schillers Geiſterſeher geleſen. „Bekennen muß ich dies,“ ſetzte ich hinzu, „denn ſo wird es glaub¬ lich, daß meine uͤberreizte arbeitende Fantaſie all die Erſcheinungen ſchuf, die nur innerhalb den Waͤnden meines Gehirns exiſtirten“ Ich glaubte, daß nun der Großonkel mir derb zuſetzen wuͤrde mit koͤrnigten Spaͤßen uͤber meine Geiſterſeherei, G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/107
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/107>, abgerufen am 13.05.2024.