Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

als ich in der Begeisterung, die mich erfaßt, die Melo¬
dien der folgenden Lieder gleich von den Lippen der Ba¬
ronin wegstahl, da erschien ich ihr und der Fräulein
Adelheid wie der größte Meister der Tonkunst, sie
überhäuften mich mit Lobsprüchen. Die angezündeten
Lichter des Ballsaals im Seitenflügel brannten hin¬
ein in das Gemach der Baronin, und ein mißtöni¬
ges Geschrei von Trompeten und Hörnern verkün¬
dete, daß es Zeit sey, sich zum Ball zu versam¬
meln. "Ach, nun muß ich fort," rief die Baro¬
nin, ich sprang auf vom Instrument. "Sie haben
mir eine herrliche Stunde bereitet -- es waren die
heitersten Momente, die ich jemals hier in R..sit¬
ten verlebte." Mit diesen Worten reichte mir die
Baronin die Hand; als ich sie im Rausch des höch¬
sten Entzückens an die Lippen drückte, fühlte ich
ihre Finger heftig pulsirend an meiner Hand an¬
schlagen! Ich weiß nicht, wie ich in des Großon¬
kels Zimmer, wie ich dann in den Ballsaal kam.
-- Jener Gaskogner fürchtete die Schlacht, weil
jede Wunde ihm tödtlich werden müsse, da er ganz

als ich in der Begeiſterung, die mich erfaßt, die Melo¬
dien der folgenden Lieder gleich von den Lippen der Ba¬
ronin wegſtahl, da erſchien ich ihr und der Fraͤulein
Adelheid wie der groͤßte Meiſter der Tonkunſt, ſie
uͤberhaͤuften mich mit Lobſpruͤchen. Die angezuͤndeten
Lichter des Ballſaals im Seitenfluͤgel brannten hin¬
ein in das Gemach der Baronin, und ein mißtoͤni¬
ges Geſchrei von Trompeten und Hoͤrnern verkuͤn¬
dete, daß es Zeit ſey, ſich zum Ball zu verſam¬
meln. „Ach, nun muß ich fort,“ rief die Baro¬
nin, ich ſprang auf vom Inſtrument. „Sie haben
mir eine herrliche Stunde bereitet — es waren die
heiterſten Momente, die ich jemals hier in R..ſit¬
ten verlebte.“ Mit dieſen Worten reichte mir die
Baronin die Hand; als ich ſie im Rauſch des hoͤch¬
ſten Entzuͤckens an die Lippen druͤckte, fuͤhlte ich
ihre Finger heftig pulſirend an meiner Hand an¬
ſchlagen! Ich weiß nicht, wie ich in des Großon¬
kels Zimmer, wie ich dann in den Ballſaal kam.
— Jener Gaskogner fuͤrchtete die Schlacht, weil
jede Wunde ihm toͤdtlich werden muͤſſe, da er ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="127"/>
als ich in der Begei&#x017F;terung, die mich erfaßt, die Melo¬<lb/>
dien der folgenden Lieder gleich von den Lippen der Ba¬<lb/>
ronin weg&#x017F;tahl, da er&#x017F;chien ich ihr und der Fra&#x0364;ulein<lb/>
Adelheid wie der gro&#x0364;ßte Mei&#x017F;ter der Tonkun&#x017F;t, &#x017F;ie<lb/>
u&#x0364;berha&#x0364;uften mich mit Lob&#x017F;pru&#x0364;chen. Die angezu&#x0364;ndeten<lb/>
Lichter des Ball&#x017F;aals im Seitenflu&#x0364;gel brannten hin¬<lb/>
ein in das Gemach der Baronin, und ein mißto&#x0364;ni¬<lb/>
ges Ge&#x017F;chrei von Trompeten und Ho&#x0364;rnern verku&#x0364;<lb/>
dete, daß es Zeit &#x017F;ey, &#x017F;ich zum Ball zu ver&#x017F;am¬<lb/>
meln. &#x201E;Ach, nun muß ich fort,&#x201C; rief die Baro¬<lb/>
nin, ich &#x017F;prang auf vom In&#x017F;trument. &#x201E;Sie haben<lb/>
mir eine herrliche Stunde bereitet &#x2014; es waren die<lb/>
heiter&#x017F;ten Momente, die ich jemals hier in R..&#x017F;it¬<lb/>
ten verlebte.&#x201C; Mit die&#x017F;en Worten reichte mir die<lb/>
Baronin die Hand; als ich &#x017F;ie im Rau&#x017F;ch des ho&#x0364;ch¬<lb/>
&#x017F;ten Entzu&#x0364;ckens an die Lippen dru&#x0364;ckte, fu&#x0364;hlte ich<lb/>
ihre Finger heftig pul&#x017F;irend an meiner Hand an¬<lb/>
&#x017F;chlagen! Ich weiß nicht, wie ich in des Großon¬<lb/>
kels Zimmer, wie ich dann in den Ball&#x017F;aal kam.<lb/>
&#x2014; Jener Gaskogner fu&#x0364;rchtete die Schlacht, weil<lb/>
jede Wunde ihm to&#x0364;dtlich werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, da er ganz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0135] als ich in der Begeiſterung, die mich erfaßt, die Melo¬ dien der folgenden Lieder gleich von den Lippen der Ba¬ ronin wegſtahl, da erſchien ich ihr und der Fraͤulein Adelheid wie der groͤßte Meiſter der Tonkunſt, ſie uͤberhaͤuften mich mit Lobſpruͤchen. Die angezuͤndeten Lichter des Ballſaals im Seitenfluͤgel brannten hin¬ ein in das Gemach der Baronin, und ein mißtoͤni¬ ges Geſchrei von Trompeten und Hoͤrnern verkuͤn¬ dete, daß es Zeit ſey, ſich zum Ball zu verſam¬ meln. „Ach, nun muß ich fort,“ rief die Baro¬ nin, ich ſprang auf vom Inſtrument. „Sie haben mir eine herrliche Stunde bereitet — es waren die heiterſten Momente, die ich jemals hier in R..ſit¬ ten verlebte.“ Mit dieſen Worten reichte mir die Baronin die Hand; als ich ſie im Rauſch des hoͤch¬ ſten Entzuͤckens an die Lippen druͤckte, fuͤhlte ich ihre Finger heftig pulſirend an meiner Hand an¬ ſchlagen! Ich weiß nicht, wie ich in des Großon¬ kels Zimmer, wie ich dann in den Ballſaal kam. — Jener Gaskogner fuͤrchtete die Schlacht, weil jede Wunde ihm toͤdtlich werden muͤſſe, da er ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/135
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/135>, abgerufen am 13.05.2024.