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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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dieser Ueberzeugung kam er zu der andern, daß
es nur darauf ankomme sich zu besiegen, das heißt,
Ausbrüchen der innern Leidenschaft zu wehren, die,
den geisteskranken Zustand Hermenegilda's aufrei¬
zend, nur ihm in jeder Hinsicht verderblich werden
könnten. Wie dann nun alles sich weiter fügen würde,
so beschloß Xaver seine Betrachtung, sollte selbst Her¬
menegilda aus ihren Träumen erwacht, die heitere
Gegenwart der düstern Zukunft vorziehen, das
liege denn alles in der Constellation zusammen¬
wirkender Umstände und an Treulosigkeit, an
Freundschaftsbruch sey nicht zu denken. So wie
Xaver andern Tages Hermenegilden wieder sah,
gelang es ihm in der That, indem er sorglich
auch das Kleinste vermied, was sein zu heißes
Blut hätte in Wallung setzen können, seine Lei¬
denschaft niederzukämpfen. In den Schranken
der strengsten Sitte bleibend, ja selbst ein frostig
Ceremoniell beachtend, gab er nur dem Gespräch
die Schwingen jener Galanterie, die den Weibern
mit süßem Zucker verderbliches Gift beibringt.

T 2

dieſer Ueberzeugung kam er zu der andern, daß
es nur darauf ankomme ſich zu beſiegen, das heißt,
Ausbruͤchen der innern Leidenſchaft zu wehren, die,
den geiſteskranken Zuſtand Hermenegilda's aufrei¬
zend, nur ihm in jeder Hinſicht verderblich werden
koͤnnten. Wie dann nun alles ſich weiter fuͤgen wuͤrde,
ſo beſchloß Xaver ſeine Betrachtung, ſollte ſelbſt Her¬
menegilda aus ihren Traͤumen erwacht, die heitere
Gegenwart der duͤſtern Zukunft vorziehen, das
liege denn alles in der Conſtellation zuſammen¬
wirkender Umſtaͤnde und an Treuloſigkeit, an
Freundſchaftsbruch ſey nicht zu denken. So wie
Xaver andern Tages Hermenegilden wieder ſah,
gelang es ihm in der That, indem er ſorglich
auch das Kleinſte vermied, was ſein zu heißes
Blut haͤtte in Wallung ſetzen koͤnnen, ſeine Lei¬
denſchaft niederzukaͤmpfen. In den Schranken
der ſtrengſten Sitte bleibend, ja ſelbſt ein froſtig
Ceremoniell beachtend, gab er nur dem Geſpraͤch
die Schwingen jener Galanterie, die den Weibern
mit ſuͤßem Zucker verderbliches Gift beibringt.

T 2
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[291/0299] dieſer Ueberzeugung kam er zu der andern, daß es nur darauf ankomme ſich zu beſiegen, das heißt, Ausbruͤchen der innern Leidenſchaft zu wehren, die, den geiſteskranken Zuſtand Hermenegilda's aufrei¬ zend, nur ihm in jeder Hinſicht verderblich werden koͤnnten. Wie dann nun alles ſich weiter fuͤgen wuͤrde, ſo beſchloß Xaver ſeine Betrachtung, ſollte ſelbſt Her¬ menegilda aus ihren Traͤumen erwacht, die heitere Gegenwart der duͤſtern Zukunft vorziehen, das liege denn alles in der Conſtellation zuſammen¬ wirkender Umſtaͤnde und an Treuloſigkeit, an Freundſchaftsbruch ſey nicht zu denken. So wie Xaver andern Tages Hermenegilden wieder ſah, gelang es ihm in der That, indem er ſorglich auch das Kleinſte vermied, was ſein zu heißes Blut haͤtte in Wallung ſetzen koͤnnen, ſeine Lei¬ denſchaft niederzukaͤmpfen. In den Schranken der ſtrengſten Sitte bleibend, ja ſelbſt ein froſtig Ceremoniell beachtend, gab er nur dem Geſpraͤch die Schwingen jener Galanterie, die den Weibern mit ſuͤßem Zucker verderbliches Gift beibringt. T 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/299>, abgerufen am 23.05.2024.