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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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an den Bürgermeister zu L. geschrieben, dort sollte
Hermenegilda ihre Niederkunft abwarten und von
der Aebtissin des Cisterzienser Klosters, einer Ver¬
wandten des Hauses, dahingebracht werden, wäh¬
rend die Fürstin nach Italien reiste, und angeblich
Hermenegilda mitnahm. -- Es war Mitternacht,
der Wagen, der Hermenegilda nach dem Kloster
bringen sollte, stand vor der Thüre. Von Gram
gebeugt erwartete Nepomuk, der Fürst, die Für¬
stin, das unglückliche Kind, um von ihr Abschied
zu nehmen. Da trat sie in Schleier gehüllt, an
der Hand des Mönchs, in das von Kerzen hell er¬
leuchtete Zimmer. Cyprianus sprach mit feierlicher
Stimme: "Die Layenschwester Cölestina sündigte
schwer, als sie sich noch in der Welt befand, denn
der Frevel des Teufels befleckte ihr reines Gemüth,
doch ein unauflösliches Gelübde bringt ihr Trost
-- Ruhe und ewige Seligkeit! -- Nie wird die
Welt mehr das Antlitz schauen, dessen Schönheit
den Teufel anlockte -- Schaut her! -- so beginnt
und vollendet Cölestina ihre Buße!" Damit hob

an den Buͤrgermeiſter zu L. geſchrieben, dort ſollte
Hermenegilda ihre Niederkunft abwarten und von
der Aebtiſſin des Ciſterzienſer Kloſters, einer Ver¬
wandten des Hauſes, dahingebracht werden, waͤh¬
rend die Fuͤrſtin nach Italien reiſte, und angeblich
Hermenegilda mitnahm. — Es war Mitternacht,
der Wagen, der Hermenegilda nach dem Kloſter
bringen ſollte, ſtand vor der Thuͤre. Von Gram
gebeugt erwartete Nepomuk, der Fuͤrſt, die Fuͤr¬
ſtin, das ungluͤckliche Kind, um von ihr Abſchied
zu nehmen. Da trat ſie in Schleier gehuͤllt, an
der Hand des Moͤnchs, in das von Kerzen hell er¬
leuchtete Zimmer. Cyprianus ſprach mit feierlicher
Stimme: „Die Layenſchweſter Coͤleſtina ſuͤndigte
ſchwer, als ſie ſich noch in der Welt befand, denn
der Frevel des Teufels befleckte ihr reines Gemuͤth,
doch ein unaufloͤsliches Geluͤbde bringt ihr Troſt
— Ruhe und ewige Seligkeit! — Nie wird die
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den Teufel anlockte — Schaut her! — ſo beginnt
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[319/0327] an den Buͤrgermeiſter zu L. geſchrieben, dort ſollte Hermenegilda ihre Niederkunft abwarten und von der Aebtiſſin des Ciſterzienſer Kloſters, einer Ver¬ wandten des Hauſes, dahingebracht werden, waͤh¬ rend die Fuͤrſtin nach Italien reiſte, und angeblich Hermenegilda mitnahm. — Es war Mitternacht, der Wagen, der Hermenegilda nach dem Kloſter bringen ſollte, ſtand vor der Thuͤre. Von Gram gebeugt erwartete Nepomuk, der Fuͤrſt, die Fuͤr¬ ſtin, das ungluͤckliche Kind, um von ihr Abſchied zu nehmen. Da trat ſie in Schleier gehuͤllt, an der Hand des Moͤnchs, in das von Kerzen hell er¬ leuchtete Zimmer. Cyprianus ſprach mit feierlicher Stimme: „Die Layenſchweſter Coͤleſtina ſuͤndigte ſchwer, als ſie ſich noch in der Welt befand, denn der Frevel des Teufels befleckte ihr reines Gemuͤth, doch ein unaufloͤsliches Geluͤbde bringt ihr Troſt — Ruhe und ewige Seligkeit! — Nie wird die Welt mehr das Antlitz ſchauen, deſſen Schoͤnheit den Teufel anlockte — Schaut her! — ſo beginnt und vollendet Coͤleſtina ihre Buße!“ Damit hob

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/327>, abgerufen am 25.05.2024.