Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mönch Hermenegilda's Schleier auf, und schnei¬
dendes Weh durchfuhr alle, da sie die blasse Todten¬
larve erblickten, in die Hermenegilda's engelschönes
Antlitz auf immer verschlossen! -- Sie schied, kei¬
nes Wortes mächtig, von dem Vater, der ganz
aufgelöst von verzehrendem Schmerz nicht mehr le¬
ben zu können dachte. Der Fürst, sonst ein gefa߬
ter Mann, badete sich in Thränen, nur der Für¬
stin gelang es, mit aller Macht den Schrecken jenes
grauenvollen Gelübdes niederkämpfend, sich auf¬
recht zu erhalten in milder Fassung --

Wie Graf Xaver Hermenegilda's Aufenthalt
und sogar den Umstand, daß das geborne Kind der
Kirche geweiht seyn sollte, erfahren, ist unerklärlich.
Wenig nutzte ihm der Raub des Kindes, denn als
er nach P. gekommen, und es in die Hände einer
vertrauten Frau zur Pflege geben wollte, war es
nicht, wie er glaubte, von der Kälte ohnmächtig
geworden, sondern todt. Darauf verschwand
Graf Xaver spurlos, und man glaubte, er habe sich

den

der Moͤnch Hermenegilda's Schleier auf, und ſchnei¬
dendes Weh durchfuhr alle, da ſie die blaſſe Todten¬
larve erblickten, in die Hermenegilda's engelſchoͤnes
Antlitz auf immer verſchloſſen! — Sie ſchied, kei¬
nes Wortes maͤchtig, von dem Vater, der ganz
aufgeloͤſt von verzehrendem Schmerz nicht mehr le¬
ben zu koͤnnen dachte. Der Fuͤrſt, ſonſt ein gefa߬
ter Mann, badete ſich in Thraͤnen, nur der Fuͤr¬
ſtin gelang es, mit aller Macht den Schrecken jenes
grauenvollen Geluͤbdes niederkaͤmpfend, ſich auf¬
recht zu erhalten in milder Faſſung —

Wie Graf Xaver Hermenegilda's Aufenthalt
und ſogar den Umſtand, daß das geborne Kind der
Kirche geweiht ſeyn ſollte, erfahren, iſt unerklaͤrlich.
Wenig nutzte ihm der Raub des Kindes, denn als
er nach P. gekommen, und es in die Haͤnde einer
vertrauten Frau zur Pflege geben wollte, war es
nicht, wie er glaubte, von der Kaͤlte ohnmaͤchtig
geworden, ſondern todt. Darauf verſchwand
Graf Xaver ſpurlos, und man glaubte, er habe ſich

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0328" n="320"/>
der Mo&#x0364;nch Hermenegilda's Schleier auf, und &#x017F;chnei¬<lb/>
dendes Weh durchfuhr alle, da &#x017F;ie die bla&#x017F;&#x017F;e Todten¬<lb/>
larve erblickten, in die Hermenegilda's engel&#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Antlitz auf immer ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; Sie &#x017F;chied, kei¬<lb/>
nes Wortes ma&#x0364;chtig, von dem Vater, der ganz<lb/>
aufgelo&#x0364;&#x017F;t von verzehrendem Schmerz nicht mehr le¬<lb/>
ben zu ko&#x0364;nnen dachte. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t, &#x017F;on&#x017F;t ein gefa߬<lb/>
ter Mann, badete &#x017F;ich in Thra&#x0364;nen, nur der Fu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tin gelang es, mit aller Macht den Schrecken jenes<lb/>
grauenvollen Gelu&#x0364;bdes niederka&#x0364;mpfend, &#x017F;ich auf¬<lb/>
recht zu erhalten in milder Fa&#x017F;&#x017F;ung &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wie Graf Xaver Hermenegilda's Aufenthalt<lb/>
und &#x017F;ogar den Um&#x017F;tand, daß das geborne Kind der<lb/>
Kirche geweiht &#x017F;eyn &#x017F;ollte, erfahren, i&#x017F;t unerkla&#x0364;rlich.<lb/>
Wenig nutzte ihm der Raub des Kindes, denn als<lb/>
er nach P. gekommen, und es in die Ha&#x0364;nde einer<lb/>
vertrauten Frau zur Pflege geben wollte, war es<lb/>
nicht, wie er glaubte, von der Ka&#x0364;lte ohnma&#x0364;chtig<lb/>
geworden, &#x017F;ondern todt. Darauf ver&#x017F;chwand<lb/>
Graf Xaver &#x017F;purlos, und man glaubte, er habe &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0328] der Moͤnch Hermenegilda's Schleier auf, und ſchnei¬ dendes Weh durchfuhr alle, da ſie die blaſſe Todten¬ larve erblickten, in die Hermenegilda's engelſchoͤnes Antlitz auf immer verſchloſſen! — Sie ſchied, kei¬ nes Wortes maͤchtig, von dem Vater, der ganz aufgeloͤſt von verzehrendem Schmerz nicht mehr le¬ ben zu koͤnnen dachte. Der Fuͤrſt, ſonſt ein gefa߬ ter Mann, badete ſich in Thraͤnen, nur der Fuͤr¬ ſtin gelang es, mit aller Macht den Schrecken jenes grauenvollen Geluͤbdes niederkaͤmpfend, ſich auf¬ recht zu erhalten in milder Faſſung — Wie Graf Xaver Hermenegilda's Aufenthalt und ſogar den Umſtand, daß das geborne Kind der Kirche geweiht ſeyn ſollte, erfahren, iſt unerklaͤrlich. Wenig nutzte ihm der Raub des Kindes, denn als er nach P. gekommen, und es in die Haͤnde einer vertrauten Frau zur Pflege geben wollte, war es nicht, wie er glaubte, von der Kaͤlte ohnmaͤchtig geworden, ſondern todt. Darauf verſchwand Graf Xaver ſpurlos, und man glaubte, er habe ſich den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/328
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/328>, abgerufen am 04.06.2024.