Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

nissen, erwartete mit Ungeduld das Brautpaar, um
mit den gehörigen Glückwünschen losfahren zu kön¬
nen. Der Goldstoffne, der am Fenster alles
angehört und angeschaut, bemerkte schlau: "Nun
weiß ich, warum der Ziegenbock dem armen Max so
wichtig war. Hätte er einmahl im Gefängniß ge¬
steckt, so war durchaus an keine Aussöhnung zu den¬
ken." Alles applaudirte dieser Meinung, wozu Wil¬
libald die Losung gab. Schon wollte man fort aus
dem Nebenzimmer in den Saal, als der türkische
Gesandte, der so lange auf dem Sopha geblieben,
nichts gesprochen, sondern nur durch Hin und Her¬
rutschen und durch die seltsamsten Grimassen seine
Theilnahme zu erkennen gegeben hatte, wie toll auf¬
sprang und zwischen die Brautleute fuhr: "Was
-- was," rief er, "nun gleich heirathen, gleich hei¬
rathen? -- Deine Geschicklichkeit, deinen Fleiß in
Ehren, Max! aber du bist ein Kiek-in-die-Welt, oh¬
ne Erfahrung, ohne Lebensklugheit, ohne Bildung.
Du setzest deine Füße einwärts und bist grob in dei¬
nen Redensarten wie ich vorhin vernommen, als
du deinen Oheim den Hofrath Reutlinger Du nann¬
test. Fort in die Welt! -- nach Constantinopel!
-- da lernst du alles was du brauchst für's Leben --
dann kehre wieder und heirathe getrost mein liebes

niſſen, erwartete mit Ungeduld das Brautpaar, um
mit den gehoͤrigen Gluͤckwuͤnſchen losfahren zu koͤn¬
nen. Der Goldſtoffne, der am Fenſter alles
angehoͤrt und angeſchaut, bemerkte ſchlau: „Nun
weiß ich, warum der Ziegenbock dem armen Max ſo
wichtig war. Haͤtte er einmahl im Gefaͤngniß ge¬
ſteckt, ſo war durchaus an keine Ausſoͤhnung zu den¬
ken.“ Alles applaudirte dieſer Meinung, wozu Wil¬
libald die Loſung gab. Schon wollte man fort aus
dem Nebenzimmer in den Saal, als der tuͤrkiſche
Geſandte, der ſo lange auf dem Sopha geblieben,
nichts geſprochen‚ ſondern nur durch Hin und Her¬
rutſchen und durch die ſeltſamſten Grimaſſen ſeine
Theilnahme zu erkennen gegeben hatte, wie toll auf¬
ſprang und zwiſchen die Brautleute fuhr: „Was
— was,“ rief er, „nun gleich heirathen, gleich hei¬
rathen? — Deine Geſchicklichkeit, deinen Fleiß in
Ehren, Max! aber du biſt ein Kiek-in-die-Welt, oh¬
ne Erfahrung, ohne Lebensklugheit, ohne Bildung.
Du ſetzeſt deine Fuͤße einwaͤrts und biſt grob in dei¬
nen Redensarten wie ich vorhin vernommen, als
du deinen Oheim den Hofrath Reutlinger Du nann¬
teſt. Fort in die Welt! — nach Conſtantinopel!
— da lernſt du alles was du brauchſt fuͤr's Leben —
dann kehre wieder und heirathe getroſt mein liebes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0380" n="372"/>
ni&#x017F;&#x017F;en, erwartete mit Ungeduld das Brautpaar, um<lb/>
mit den geho&#x0364;rigen Glu&#x0364;ckwu&#x0364;n&#x017F;chen losfahren zu ko&#x0364;<lb/>
nen. Der Gold&#x017F;toffne, der am Fen&#x017F;ter alles<lb/>
angeho&#x0364;rt und ange&#x017F;chaut, bemerkte &#x017F;chlau: &#x201E;Nun<lb/>
weiß ich, warum der Ziegenbock dem armen Max &#x017F;o<lb/>
wichtig war. Ha&#x0364;tte er einmahl im Gefa&#x0364;ngniß ge¬<lb/>
&#x017F;teckt, &#x017F;o war durchaus an keine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung zu den¬<lb/>
ken.&#x201C; Alles applaudirte die&#x017F;er Meinung, wozu Wil¬<lb/>
libald die Lo&#x017F;ung gab. Schon wollte man fort aus<lb/>
dem Nebenzimmer in den Saal, als der tu&#x0364;rki&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;andte, der &#x017F;o lange auf dem Sopha geblieben,<lb/>
nichts ge&#x017F;prochen&#x201A; &#x017F;ondern nur durch Hin und Her¬<lb/>
rut&#x017F;chen und durch die &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Grima&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine<lb/>
Theilnahme zu erkennen gegeben hatte, wie toll auf¬<lb/>
&#x017F;prang und zwi&#x017F;chen die Brautleute fuhr: &#x201E;Was<lb/>
&#x2014; was,&#x201C; rief er, &#x201E;nun gleich heirathen, gleich hei¬<lb/>
rathen? &#x2014; Deine Ge&#x017F;chicklichkeit, deinen Fleiß in<lb/>
Ehren, Max! aber du bi&#x017F;t ein Kiek-in-die-Welt, oh¬<lb/>
ne Erfahrung, ohne Lebensklugheit, ohne Bildung.<lb/>
Du &#x017F;etze&#x017F;t deine Fu&#x0364;ße einwa&#x0364;rts und bi&#x017F;t grob in dei¬<lb/>
nen Redensarten wie ich vorhin vernommen, als<lb/>
du deinen Oheim den Hofrath Reutlinger Du nann¬<lb/>
te&#x017F;t. Fort in die Welt! &#x2014; nach Con&#x017F;tantinopel!<lb/>
&#x2014; da lern&#x017F;t du alles was du brauch&#x017F;t fu&#x0364;r's Leben &#x2014;<lb/>
dann kehre wieder und heirathe getro&#x017F;t mein liebes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0380] niſſen, erwartete mit Ungeduld das Brautpaar, um mit den gehoͤrigen Gluͤckwuͤnſchen losfahren zu koͤn¬ nen. Der Goldſtoffne, der am Fenſter alles angehoͤrt und angeſchaut, bemerkte ſchlau: „Nun weiß ich, warum der Ziegenbock dem armen Max ſo wichtig war. Haͤtte er einmahl im Gefaͤngniß ge¬ ſteckt, ſo war durchaus an keine Ausſoͤhnung zu den¬ ken.“ Alles applaudirte dieſer Meinung, wozu Wil¬ libald die Loſung gab. Schon wollte man fort aus dem Nebenzimmer in den Saal, als der tuͤrkiſche Geſandte, der ſo lange auf dem Sopha geblieben, nichts geſprochen‚ ſondern nur durch Hin und Her¬ rutſchen und durch die ſeltſamſten Grimaſſen ſeine Theilnahme zu erkennen gegeben hatte, wie toll auf¬ ſprang und zwiſchen die Brautleute fuhr: „Was — was,“ rief er, „nun gleich heirathen, gleich hei¬ rathen? — Deine Geſchicklichkeit, deinen Fleiß in Ehren, Max! aber du biſt ein Kiek-in-die-Welt, oh¬ ne Erfahrung, ohne Lebensklugheit, ohne Bildung. Du ſetzeſt deine Fuͤße einwaͤrts und biſt grob in dei¬ nen Redensarten wie ich vorhin vernommen, als du deinen Oheim den Hofrath Reutlinger Du nann¬ teſt. Fort in die Welt! — nach Conſtantinopel! — da lernſt du alles was du brauchſt fuͤr's Leben — dann kehre wieder und heirathe getroſt mein liebes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/380
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/380>, abgerufen am 13.05.2024.