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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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jener Gedanke, wie ein elektrischer Blitz. Doch
waren dies nur schnell vorübergehende Momente.
Den kleinen Taschenspiegel, der mir so täuschend das
anmuthige Bildniß reflektirt, hatte ich zum pro¬
saischen Hausbedarf bestimmt. Ich pflegte mir vor
demselben die Halsbinde fest zu knüpfen. So ge¬
schah es, daß er mir, als ich einst dies wichtige
Geschäft abthun wollte, blind schien, und ich ihn
nach bekannter Methode anhauchte, um ihn dann
hell zu poliren. -- Alle meine Pulse stockten, mein
Innerstes bebte vor wonnigem Grauen! -- ja so
muß ich das Gefühl nennen, das mich übermannte,
als ich, so wie mein Hauch den Spiegel überlief,
im bläulichen Nebel das holde Antlitz sah, das mich
mit jenem wehmüthigem, das Herz durchbohrendem
Blick anschaute! -- Ihr lacht? -- Ihr seid mit
mir fertig, ihr haltet mich für einen unheilbaren
Träumer, aber sprecht, denkt was ihr wollt, genug,
die Holde blickte mich an aus dem Spiegel, aber
so wie der Hauch zerrann, verschwand das Gesicht
in dem Funkeln des Spiegels. -- Ich will Euch

jener Gedanke, wie ein elektriſcher Blitz. Doch
waren dies nur ſchnell voruͤbergehende Momente.
Den kleinen Taſchenſpiegel, der mir ſo taͤuſchend das
anmuthige Bildniß reflektirt, hatte ich zum pro¬
ſaiſchen Hausbedarf beſtimmt. Ich pflegte mir vor
demſelben die Halsbinde feſt zu knuͤpfen. So ge¬
ſchah es, daß er mir, als ich einſt dies wichtige
Geſchaͤft abthun wollte, blind ſchien, und ich ihn
nach bekannter Methode anhauchte, um ihn dann
hell zu poliren. — Alle meine Pulſe ſtockten, mein
Innerſtes bebte vor wonnigem Grauen! — ja ſo
muß ich das Gefuͤhl nennen, das mich uͤbermannte,
als ich, ſo wie mein Hauch den Spiegel uͤberlief,
im blaͤulichen Nebel das holde Antlitz ſah, das mich
mit jenem wehmuͤthigem, das Herz durchbohrendem
Blick anſchaute! — Ihr lacht? — Ihr ſeid mit
mir fertig, ihr haltet mich fuͤr einen unheilbaren
Traͤumer, aber ſprecht, denkt was ihr wollt, genug,
die Holde blickte mich an aus dem Spiegel, aber
ſo wie der Hauch zerrann, verſchwand das Geſicht
in dem Funkeln des Spiegels. — Ich will Euch

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[37/0045] jener Gedanke, wie ein elektriſcher Blitz. Doch waren dies nur ſchnell voruͤbergehende Momente. Den kleinen Taſchenſpiegel, der mir ſo taͤuſchend das anmuthige Bildniß reflektirt, hatte ich zum pro¬ ſaiſchen Hausbedarf beſtimmt. Ich pflegte mir vor demſelben die Halsbinde feſt zu knuͤpfen. So ge¬ ſchah es, daß er mir, als ich einſt dies wichtige Geſchaͤft abthun wollte, blind ſchien, und ich ihn nach bekannter Methode anhauchte, um ihn dann hell zu poliren. — Alle meine Pulſe ſtockten, mein Innerſtes bebte vor wonnigem Grauen! — ja ſo muß ich das Gefuͤhl nennen, das mich uͤbermannte, als ich, ſo wie mein Hauch den Spiegel uͤberlief, im blaͤulichen Nebel das holde Antlitz ſah, das mich mit jenem wehmuͤthigem, das Herz durchbohrendem Blick anſchaute! — Ihr lacht? — Ihr ſeid mit mir fertig, ihr haltet mich fuͤr einen unheilbaren Traͤumer, aber ſprecht, denkt was ihr wollt, genug, die Holde blickte mich an aus dem Spiegel, aber ſo wie der Hauch zerrann, verſchwand das Geſicht in dem Funkeln des Spiegels. — Ich will Euch

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/45>, abgerufen am 28.04.2024.