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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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belächeln und zu bespötteln, hört und fühlt mit
mir, was ich ausgestanden. -- Wie gesagt, oft,
wenn jenes Bild ganz verblaßt war, ergriff mich
ein körperliches Uebelbefinden, die Gestalt trat,
wie sonst niemahls, mit einer Lebendigkeit, mit
einem Glanz hervor, daß ich sie zu erfassen
wähnte. Aber dann kam es mir auf grauliche
Weise vor, ich sey selbst die Gestalt, und von den
Nebeln des Spiegels umhüllt und umschlossen.
Ein empfindlicher Brustschmerz, und dann gänzliche
Apathie endigte den peinlichen Zustand, der immer
eine, das innerste Mark wegzehrende Erschöpfung
hinterließ. In diesen Momenten mißlang jeder
Versuch mit dem Spiegel, hatte ich mich aber er¬
kräftigt, und trat dann das Bild wieder lebendig
aus dem Spiegel hervor, so mag ich nicht leugnen,
daß sich damit ein besonderer, mir sonst fremder
physischer Reiz verband. -- Diese ewige Span¬
nung wirkte gar verderblich auf mich ein, blaß wie
der Tod und zerstört im ganzen Wesen schwankte
ich umher, meine Freunde hielten mich für krank,

belaͤcheln und zu beſpoͤtteln, hoͤrt und fuͤhlt mit
mir, was ich ausgeſtanden. — Wie geſagt, oft,
wenn jenes Bild ganz verblaßt war, ergriff mich
ein koͤrperliches Uebelbefinden, die Geſtalt trat,
wie ſonſt niemahls, mit einer Lebendigkeit, mit
einem Glanz hervor, daß ich ſie zu erfaſſen
waͤhnte. Aber dann kam es mir auf grauliche
Weiſe vor, ich ſey ſelbſt die Geſtalt, und von den
Nebeln des Spiegels umhuͤllt und umſchloſſen.
Ein empfindlicher Bruſtſchmerz, und dann gaͤnzliche
Apathie endigte den peinlichen Zuſtand, der immer
eine, das innerſte Mark wegzehrende Erſchoͤpfung
hinterließ. In dieſen Momenten mißlang jeder
Verſuch mit dem Spiegel, hatte ich mich aber er¬
kraͤftigt, und trat dann das Bild wieder lebendig
aus dem Spiegel hervor, ſo mag ich nicht leugnen,
daß ſich damit ein beſonderer, mir ſonſt fremder
phyſiſcher Reiz verband. — Dieſe ewige Span¬
nung wirkte gar verderblich auf mich ein, blaß wie
der Tod und zerſtoͤrt im ganzen Weſen ſchwankte
ich umher, meine Freunde hielten mich fuͤr krank,

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[39/0047] belaͤcheln und zu beſpoͤtteln, hoͤrt und fuͤhlt mit mir, was ich ausgeſtanden. — Wie geſagt, oft, wenn jenes Bild ganz verblaßt war, ergriff mich ein koͤrperliches Uebelbefinden, die Geſtalt trat, wie ſonſt niemahls, mit einer Lebendigkeit, mit einem Glanz hervor, daß ich ſie zu erfaſſen waͤhnte. Aber dann kam es mir auf grauliche Weiſe vor, ich ſey ſelbſt die Geſtalt, und von den Nebeln des Spiegels umhuͤllt und umſchloſſen. Ein empfindlicher Bruſtſchmerz, und dann gaͤnzliche Apathie endigte den peinlichen Zuſtand, der immer eine, das innerſte Mark wegzehrende Erſchoͤpfung hinterließ. In dieſen Momenten mißlang jeder Verſuch mit dem Spiegel, hatte ich mich aber er¬ kraͤftigt, und trat dann das Bild wieder lebendig aus dem Spiegel hervor, ſo mag ich nicht leugnen, daß ſich damit ein beſonderer, mir ſonſt fremder phyſiſcher Reiz verband. — Dieſe ewige Span¬ nung wirkte gar verderblich auf mich ein, blaß wie der Tod und zerſtoͤrt im ganzen Weſen ſchwankte ich umher, meine Freunde hielten mich fuͤr krank,

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/47>, abgerufen am 02.11.2024.