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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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man wollte aus der Ferne bemerkt haben, wie er
in die Wellen hineinsprach und dem Brausen und
Zischen der Brandung zuhorchte, als vernehme er
die antwortende Stimme des Meergeistes. Auf
der höchsten Spitze des Wartthurms hatte er ein
Cabinett einrichten und mit Fernröhren -- mit
einem vollständigen astronomischen Apparat versehen
lassen; da beobachtete er Tages, nach dem Meer
hinausschauend, die Schiffe, die oft gleich weißbe¬
schwingten Meervögeln am fernen Horizont vor¬
überflogen. Sternenhelle Nächte brachte er hin
mit astronomischer, oder, wie man wissen wollte,
mit astrologischer Arbeit, worin ihm der alte Haus¬
verwalter beistand. Ueberhaupt ging zu seinen
Lebzeiten die Sage, daß er geheimer Wissenschaft, der
sogenannten schwarzen Kunst, ergeben sey, und daß
eine verfehlte Operation, durch die ein hohes Für¬
stenhaus auf das empfindlichste gekränkt wurde, ihn
aus Curland vertrieben habe. Die leiseste Erinne¬
rung an seinen dortigen Aufenthalt erfüllte ihn mit
Entsetzen, aber alles sein Leben verstörende, was

man wollte aus der Ferne bemerkt haben, wie er
in die Wellen hineinſprach und dem Brauſen und
Ziſchen der Brandung zuhorchte, als vernehme er
die antwortende Stimme des Meergeiſtes. Auf
der hoͤchſten Spitze des Wartthurms hatte er ein
Cabinett einrichten und mit Fernroͤhren — mit
einem vollſtaͤndigen aſtronomiſchen Apparat verſehen
laſſen; da beobachtete er Tages, nach dem Meer
hinausſchauend, die Schiffe, die oft gleich weißbe¬
ſchwingten Meervoͤgeln am fernen Horizont vor¬
uͤberflogen. Sternenhelle Naͤchte brachte er hin
mit aſtronomiſcher, oder, wie man wiſſen wollte,
mit aſtrologiſcher Arbeit, worin ihm der alte Haus¬
verwalter beiſtand. Ueberhaupt ging zu ſeinen
Lebzeiten die Sage, daß er geheimer Wiſſenſchaft, der
ſogenannten ſchwarzen Kunſt, ergeben ſey, und daß
eine verfehlte Operation, durch die ein hohes Fuͤr¬
ſtenhaus auf das empfindlichſte gekraͤnkt wurde, ihn
aus Curland vertrieben habe. Die leiſeſte Erinne¬
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[77/0085] man wollte aus der Ferne bemerkt haben, wie er in die Wellen hineinſprach und dem Brauſen und Ziſchen der Brandung zuhorchte, als vernehme er die antwortende Stimme des Meergeiſtes. Auf der hoͤchſten Spitze des Wartthurms hatte er ein Cabinett einrichten und mit Fernroͤhren — mit einem vollſtaͤndigen aſtronomiſchen Apparat verſehen laſſen; da beobachtete er Tages, nach dem Meer hinausſchauend, die Schiffe, die oft gleich weißbe¬ ſchwingten Meervoͤgeln am fernen Horizont vor¬ uͤberflogen. Sternenhelle Naͤchte brachte er hin mit aſtronomiſcher, oder, wie man wiſſen wollte, mit aſtrologiſcher Arbeit, worin ihm der alte Haus¬ verwalter beiſtand. Ueberhaupt ging zu ſeinen Lebzeiten die Sage, daß er geheimer Wiſſenſchaft, der ſogenannten ſchwarzen Kunſt, ergeben ſey, und daß eine verfehlte Operation, durch die ein hohes Fuͤr¬ ſtenhaus auf das empfindlichſte gekraͤnkt wurde, ihn aus Curland vertrieben habe. Die leiſeſte Erinne¬ rung an ſeinen dortigen Aufenthalt erfuͤllte ihn mit Entſetzen, aber alles ſein Leben verſtoͤrende, was

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/85>, abgerufen am 12.05.2024.