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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Hochzeit-Gedichte.
Die klugheit selbst vernarrt sich mit/
Greifft nach dem bley/ und meint das silber zu erwehlen/
Und wenn sies noch so knapp abtritt/
So wirds doch heute forn und morgen hinten fehlen/
Wer nur gestalt und haar' und farbe liebt/
Der liebet wurm und fäule/ solche sachen/
Die länger nicht auf lipp' und stirne lachen/
Als pflaster und zinnober währung giebt/
Jn Lais schöner brust wallt auch ein geilheits-meer/
Die Helena streut allen jammer/
Aus ihrer schlaff- und huren-kammer/
Und Dido halß ist nie von fremden küssen leer.
Wird denn der leib ein außatz-fleck?
Und wandelt sich in koth/ in larv' und in gerippe?
Schmiert sich pomad' und schmincke weg/
So thät es noth/ es käm ein männchen mit der schippes
Hier knickt ein bein/ dort rost ein silder-zahn/
Hier will die stirn mit schwartzen runtzeln spielen/
Dort will der krebs in back und wangen wühlen/
Da kömmt der artzt und setzt das eisen dran/
Wo nu kein ander ziel zur heyrath wird gelegt/
So stirbt die liebe mit den farben/
Wenn sie soll deren spiegel darben/
Der nur den blossen schein auf aug' und wangen prägt.
Muß geld und gut der abgott seyn?
Dem man den Weyrauch streut ins Venus tempels-zimmern;
So schlägt bald schnupff ins rauchfaß ein/
Und kan das feuer nicht vor rauch' und schmauche schimmertz:
Es ist und bleibt ein schnöder götzendienst/
Soll dieser balg die brunst zur lieb' auffachen/
So darff man sich kein' andre rechnung machen/
Als nur auf dampff und leeren lust-gewinst:
Die motte spinnt sich auch in seidnen zeug mit ein/
Und purpur weis sich nicht zu schützen/
Wenn feinde sich und bränd erhitzen/
Es kan die liebe so nicht recht g[w]urtzelt seyn.
Ein
Hochzeit-Gedichte.
Die klugheit ſelbſt vernarrt ſich mit/
Greifft nach dem bley/ und meint das ſilber zu erwehlen/
Und wenn ſies noch ſo knapp abtritt/
So wirds doch heute forn und morgen hinten fehlen/
Wer nur geſtalt und haar’ und farbe liebt/
Der liebet wurm und faͤule/ ſolche ſachen/
Die laͤnger nicht auf lipp’ und ſtirne lachen/
Als pflaſter und zinnober waͤhrung giebt/
Jn Lais ſchoͤner bruſt wallt auch ein geilheits-meer/
Die Helena ſtreut allen jammer/
Aus ihrer ſchlaff- und huren-kammer/
Und Dido halß iſt nie von fremden kuͤſſen leer.
Wird denn der leib ein außatz-fleck?
Und wandelt ſich in koth/ in larv’ und in gerippe?
Schmiert ſich pomad’ und ſchmincke weg/
So thaͤt es noth/ es kaͤm ein maͤnnchen mit der ſchippes
Hier knickt ein bein/ dort roſt ein ſilder-zahn/
Hier will die ſtirn mit ſchwartzen runtzeln ſpielen/
Dort will der krebs in back und wangen wuͤhlen/
Da koͤmmt der artzt und ſetzt das eiſen dran/
Wo nu kein ander ziel zur heyrath wird gelegt/
So ſtirbt die liebe mit den farben/
Wenn ſie ſoll deren ſpiegel darben/
Der nur den bloſſen ſchein auf aug’ und wangen praͤgt.
Muß geld und gut der abgott ſeyn?
Dem man den Weyrauch ſtreut ins Venus tempels-zimmern;
So ſchlaͤgt bald ſchnupff ins rauchfaß ein/
Und kan das feuer nicht vor rauch’ und ſchmauche ſchimmertz:
Es iſt und bleibt ein ſchnoͤder goͤtzendienſt/
Soll dieſer balg die brunſt zur lieb’ auffachen/
So darff man ſich kein’ andre rechnung machen/
Als nur auf dampff und leeren luſt-gewinſt:
Die motte ſpinnt ſich auch in ſeidnen zeug mit ein/
Und purpur weis ſich nicht zu ſchuͤtzen/
Wenn feinde ſich und braͤnd erhitzen/
Es kan die liebe ſo nicht recht g[w]urtzelt ſeyn.
Ein
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[141/0151] Hochzeit-Gedichte. Die klugheit ſelbſt vernarrt ſich mit/ Greifft nach dem bley/ und meint das ſilber zu erwehlen/ Und wenn ſies noch ſo knapp abtritt/ So wirds doch heute forn und morgen hinten fehlen/ Wer nur geſtalt und haar’ und farbe liebt/ Der liebet wurm und faͤule/ ſolche ſachen/ Die laͤnger nicht auf lipp’ und ſtirne lachen/ Als pflaſter und zinnober waͤhrung giebt/ Jn Lais ſchoͤner bruſt wallt auch ein geilheits-meer/ Die Helena ſtreut allen jammer/ Aus ihrer ſchlaff- und huren-kammer/ Und Dido halß iſt nie von fremden kuͤſſen leer. Wird denn der leib ein außatz-fleck? Und wandelt ſich in koth/ in larv’ und in gerippe? Schmiert ſich pomad’ und ſchmincke weg/ So thaͤt es noth/ es kaͤm ein maͤnnchen mit der ſchippes Hier knickt ein bein/ dort roſt ein ſilder-zahn/ Hier will die ſtirn mit ſchwartzen runtzeln ſpielen/ Dort will der krebs in back und wangen wuͤhlen/ Da koͤmmt der artzt und ſetzt das eiſen dran/ Wo nu kein ander ziel zur heyrath wird gelegt/ So ſtirbt die liebe mit den farben/ Wenn ſie ſoll deren ſpiegel darben/ Der nur den bloſſen ſchein auf aug’ und wangen praͤgt. Muß geld und gut der abgott ſeyn? Dem man den Weyrauch ſtreut ins Venus tempels-zimmern; So ſchlaͤgt bald ſchnupff ins rauchfaß ein/ Und kan das feuer nicht vor rauch’ und ſchmauche ſchimmertz: Es iſt und bleibt ein ſchnoͤder goͤtzendienſt/ Soll dieſer balg die brunſt zur lieb’ auffachen/ So darff man ſich kein’ andre rechnung machen/ Als nur auf dampff und leeren luſt-gewinſt: Die motte ſpinnt ſich auch in ſeidnen zeug mit ein/ Und purpur weis ſich nicht zu ſchuͤtzen/ Wenn feinde ſich und braͤnd erhitzen/ Es kan die liebe ſo nicht recht gwurtzelt ſeyn. Ein

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/151>, abgerufen am 28.04.2024.