Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Du hattest keine Heimath, Unglücklicher, des-
sen sterbliche Ueberreste wir bestatten; Du suchtest
sie, umhergetrieben und verirrt, durch Nebel,
Schmutz und Koth; versunken in Sünde und
Laster fandest Du keine Ruhe auf der Erde.
Finde sie jetzt in der Erde und gönne Gottes
Huld Dir selige Auferstehung zum Licht und zur
Wahrheit. Amen.

Das war die schönste, obgleich kürzeste Rede, die
Anton jemals vom Pastor gehört zu haben sich erinnerte.
Sie gingen auseinander, nachdem sie still gebetet.

Die Magd, die ihrem Herrn voranleuchtete,
machte eine Wendung mit der Laterne und bei deren
Scheine glaubte Anton das Antlitz der braunen Bär-
bel zu gewahren, welches über die Mauer in den
Kirchhof starrte.



Du hatteſt keine Heimath, Ungluͤcklicher, deſ-
ſen ſterbliche Ueberreſte wir beſtatten; Du ſuchteſt
ſie, umhergetrieben und verirrt, durch Nebel,
Schmutz und Koth; verſunken in Suͤnde und
Laſter fandeſt Du keine Ruhe auf der Erde.
Finde ſie jetzt in der Erde und goͤnne Gottes
Huld Dir ſelige Auferſtehung zum Licht und zur
Wahrheit. Amen.

Das war die ſchoͤnſte, obgleich kuͤrzeſte Rede, die
Anton jemals vom Paſtor gehoͤrt zu haben ſich erinnerte.
Sie gingen auseinander, nachdem ſie ſtill gebetet.

Die Magd, die ihrem Herrn voranleuchtete,
machte eine Wendung mit der Laterne und bei deren
Scheine glaubte Anton das Antlitz der braunen Baͤr-
bel zu gewahren, welches uͤber die Mauer in den
Kirchhof ſtarrte.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0171" n="155"/>
        <p> <hi rendition="#et">Du hatte&#x017F;t keine Heimath, Unglu&#x0364;cklicher, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;terbliche Ueberre&#x017F;te wir be&#x017F;tatten; Du &#x017F;uchte&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie, umhergetrieben und verirrt, durch Nebel,<lb/>
Schmutz und Koth; ver&#x017F;unken in Su&#x0364;nde und<lb/>
La&#x017F;ter fande&#x017F;t Du keine Ruhe <hi rendition="#g">auf</hi> der Erde.<lb/>
Finde &#x017F;ie jetzt <hi rendition="#g">in</hi> der Erde und go&#x0364;nne Gottes<lb/>
Huld Dir &#x017F;elige Aufer&#x017F;tehung zum Licht und zur<lb/>
Wahrheit. Amen.</hi> </p><lb/>
        <p>Das war die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te, obgleich ku&#x0364;rze&#x017F;te Rede, die<lb/>
Anton jemals vom Pa&#x017F;tor geho&#x0364;rt zu haben &#x017F;ich erinnerte.<lb/>
Sie gingen auseinander, nachdem &#x017F;ie &#x017F;till gebetet.</p><lb/>
        <p>Die Magd, die ihrem Herrn voranleuchtete,<lb/>
machte eine Wendung mit der Laterne und bei deren<lb/>
Scheine glaubte Anton das Antlitz der braunen Ba&#x0364;r-<lb/>
bel zu gewahren, welches u&#x0364;ber die Mauer in den<lb/>
Kirchhof &#x017F;tarrte.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0171] Du hatteſt keine Heimath, Ungluͤcklicher, deſ- ſen ſterbliche Ueberreſte wir beſtatten; Du ſuchteſt ſie, umhergetrieben und verirrt, durch Nebel, Schmutz und Koth; verſunken in Suͤnde und Laſter fandeſt Du keine Ruhe auf der Erde. Finde ſie jetzt in der Erde und goͤnne Gottes Huld Dir ſelige Auferſtehung zum Licht und zur Wahrheit. Amen. Das war die ſchoͤnſte, obgleich kuͤrzeſte Rede, die Anton jemals vom Paſtor gehoͤrt zu haben ſich erinnerte. Sie gingen auseinander, nachdem ſie ſtill gebetet. Die Magd, die ihrem Herrn voranleuchtete, machte eine Wendung mit der Laterne und bei deren Scheine glaubte Anton das Antlitz der braunen Baͤr- bel zu gewahren, welches uͤber die Mauer in den Kirchhof ſtarrte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/171
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 1. Breslau, 1852, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden01_1852/171>, abgerufen am 09.05.2024.