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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Vorstadttheater, -- hatten nicht einmal ordentliche
Kröpfe und verstanden keine Silbe Englisch. Des-
halb brauchten sie einen Begleiter, der für sie sprach,
während sie sangen. Das währte denn doch einige
Jahre und half mir etwas auf. Kaum aber wußten
sie sich verständlich zu machen, als sie nach Amerika
zogen und mich zurückließen. Dumme Cretin's!
Sie sagten mir in's Gesicht, ich hätte sie übervor-
theilt. Was wäre denn aus mir geworden, wenn
ich's nicht gethan?"

Sie haben viel durchgemacht, Herr Schkramprl!

"Das will ich glauben. Jn einem halben Jahr-
hundert braucht man viel -- wenn man durstig ist
besonders. Wir befanden uns in einer Seestadt.
Jch sah mich nach einer andern Stellung um und
brauchte nicht lange zu warten. Es hatte daselbst
ein Schiff gelandet, welches nebst vielen Fässern
Thran, die furchtbar stanken, einen Esquimaur nebst
Gemahlin mitbrachte, die auch nicht nach Rosenöl
dufteten. Dieses zarte Pärchen war von einem Spe-
kulanten nach der kultivirten Welt gelockt worden,
um sich zeigen zu lassen. Kaum angelangt starb dieser
unternehmende Mensch. Jch bemächtigte mich seiner
lebendigen Hinterlassenschaft, schloß eine Art von

Vorſtadttheater, — hatten nicht einmal ordentliche
Kroͤpfe und verſtanden keine Silbe Engliſch. Des-
halb brauchten ſie einen Begleiter, der fuͤr ſie ſprach,
waͤhrend ſie ſangen. Das waͤhrte denn doch einige
Jahre und half mir etwas auf. Kaum aber wußten
ſie ſich verſtaͤndlich zu machen, als ſie nach Amerika
zogen und mich zuruͤckließen. Dumme Cretin’s!
Sie ſagten mir in’s Geſicht, ich haͤtte ſie uͤbervor-
theilt. Was waͤre denn aus mir geworden, wenn
ich’s nicht gethan?“

Sie haben viel durchgemacht, Herr Schkramprl!

„Das will ich glauben. Jn einem halben Jahr-
hundert braucht man viel — wenn man durſtig iſt
beſonders. Wir befanden uns in einer Seeſtadt.
Jch ſah mich nach einer andern Stellung um und
brauchte nicht lange zu warten. Es hatte daſelbſt
ein Schiff gelandet, welches nebſt vielen Faͤſſern
Thran, die furchtbar ſtanken, einen Esquimaur nebſt
Gemahlin mitbrachte, die auch nicht nach Roſenoͤl
dufteten. Dieſes zarte Paͤrchen war von einem Spe-
kulanten nach der kultivirten Welt gelockt worden,
um ſich zeigen zu laſſen. Kaum angelangt ſtarb dieſer
unternehmende Menſch. Jch bemaͤchtigte mich ſeiner
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[156/0158] Vorſtadttheater, — hatten nicht einmal ordentliche Kroͤpfe und verſtanden keine Silbe Engliſch. Des- halb brauchten ſie einen Begleiter, der fuͤr ſie ſprach, waͤhrend ſie ſangen. Das waͤhrte denn doch einige Jahre und half mir etwas auf. Kaum aber wußten ſie ſich verſtaͤndlich zu machen, als ſie nach Amerika zogen und mich zuruͤckließen. Dumme Cretin’s! Sie ſagten mir in’s Geſicht, ich haͤtte ſie uͤbervor- theilt. Was waͤre denn aus mir geworden, wenn ich’s nicht gethan?“ Sie haben viel durchgemacht, Herr Schkramprl! „Das will ich glauben. Jn einem halben Jahr- hundert braucht man viel — wenn man durſtig iſt beſonders. Wir befanden uns in einer Seeſtadt. Jch ſah mich nach einer andern Stellung um und brauchte nicht lange zu warten. Es hatte daſelbſt ein Schiff gelandet, welches nebſt vielen Faͤſſern Thran, die furchtbar ſtanken, einen Esquimaur nebſt Gemahlin mitbrachte, die auch nicht nach Roſenoͤl dufteten. Dieſes zarte Paͤrchen war von einem Spe- kulanten nach der kultivirten Welt gelockt worden, um ſich zeigen zu laſſen. Kaum angelangt ſtarb dieſer unternehmende Menſch. Jch bemaͤchtigte mich ſeiner lebendigen Hinterlaſſenſchaft, ſchloß eine Art von

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/158>, abgerufen am 01.05.2024.