Und das Mitleid, ihre schöne, süße Tochter, Faltete flehend ihre zarten, weißen Hände Und stammelte schluchzend: Erbarmen, Erbarmen!
Da fuhr's wie ein Blitz durch das blutlose Steinbild Und die frömmelnd gefaltete Riesenfaust, Die einst in nebelgrauer Vorzeit Die Hand des Prometheus gelenkt Und aus Thon Menschen geformt, Ballte sich wieder und schlug An die immer noch weltenschwangere Stirn Und der alte, zornige Jude Wurde weich wie ein Kind! Denn er fühlte, wie sein Herz Tief in pochender Brust, Wieder wonnig zu schlagen anhub Und eine wilde, verzehrende Sehnsucht Fiel ihn an, Eine Sehnsucht nach jener alten, schönen Zeit, Als er selber noch jung war Und die Welt, die träumende Welt, In das bläuliche Dämmerlicht der Urzeit Süß hineinduftete, Zitternd und thaufrisch, Wie eine jungerblühte, rothe Maienrose!
Und zornentbrannt Riß er die weihrauchduftende Schellenkappe,
Und das Mitleid, ihre ſchöne, ſüße Tochter, Faltete flehend ihre zarten, weißen Hände Und ſtammelte ſchluchzend: Erbarmen, Erbarmen!
Da fuhr's wie ein Blitz durch das blutloſe Steinbild Und die frömmelnd gefaltete Rieſenfauſt, Die einſt in nebelgrauer Vorzeit Die Hand des Prometheus gelenkt Und aus Thon Menſchen geformt, Ballte ſich wieder und ſchlug An die immer noch weltenſchwangere Stirn Und der alte, zornige Jude Wurde weich wie ein Kind! Denn er fühlte, wie ſein Herz Tief in pochender Bruſt, Wieder wonnig zu ſchlagen anhub Und eine wilde, verzehrende Sehnſucht Fiel ihn an, Eine Sehnſucht nach jener alten, ſchönen Zeit, Als er ſelber noch jung war Und die Welt, die träumende Welt, In das bläuliche Dämmerlicht der Urzeit Süß hineinduftete, Zitternd und thaufriſch, Wie eine jungerblühte, rothe Maienroſe!
Und zornentbrannt Riß er die weihrauchduftende Schellenkappe,
<TEI><text><body><div><lgtype="poem"><pbfacs="#f0293"n="271"/><lgn="21"><l>Und das Mitleid, ihre ſchöne, ſüße Tochter,</l><lb/><l>Faltete flehend ihre zarten, weißen Hände</l><lb/><l>Und ſtammelte ſchluchzend: Erbarmen, Erbarmen!</l><lb/></lg><lgn="22"><l>Da fuhr's wie ein Blitz durch das blutloſe Steinbild</l><lb/><l>Und die frömmelnd gefaltete Rieſenfauſt,</l><lb/><l>Die einſt in nebelgrauer Vorzeit</l><lb/><l>Die Hand des Prometheus gelenkt</l><lb/><l>Und aus Thon Menſchen geformt,</l><lb/><l>Ballte ſich wieder und ſchlug</l><lb/><l>An die immer noch weltenſchwangere Stirn</l><lb/><l>Und der alte, zornige Jude</l><lb/><l>Wurde weich wie ein Kind!</l><lb/><l>Denn er fühlte, wie ſein Herz</l><lb/><l>Tief in pochender Bruſt,</l><lb/><l>Wieder wonnig zu ſchlagen anhub</l><lb/><l>Und eine wilde, verzehrende Sehnſucht</l><lb/><l>Fiel ihn an,</l><lb/><l>Eine Sehnſucht nach jener alten, ſchönen Zeit,</l><lb/><l>Als er ſelber noch jung war</l><lb/><l>Und die Welt, die träumende Welt,</l><lb/><l>In das bläuliche Dämmerlicht der Urzeit</l><lb/><l>Süß hineinduftete,</l><lb/><l>Zitternd und thaufriſch,</l><lb/><l>Wie eine jungerblühte, rothe Maienroſe!</l><lb/></lg><lgn="23"><l>Und zornentbrannt</l><lb/><l>Riß er die weihrauchduftende Schellenkappe,</l><lb/></lg></lg></div></body></text></TEI>
[271/0293]
Und das Mitleid, ihre ſchöne, ſüße Tochter,
Faltete flehend ihre zarten, weißen Hände
Und ſtammelte ſchluchzend: Erbarmen, Erbarmen!
Da fuhr's wie ein Blitz durch das blutloſe Steinbild
Und die frömmelnd gefaltete Rieſenfauſt,
Die einſt in nebelgrauer Vorzeit
Die Hand des Prometheus gelenkt
Und aus Thon Menſchen geformt,
Ballte ſich wieder und ſchlug
An die immer noch weltenſchwangere Stirn
Und der alte, zornige Jude
Wurde weich wie ein Kind!
Denn er fühlte, wie ſein Herz
Tief in pochender Bruſt,
Wieder wonnig zu ſchlagen anhub
Und eine wilde, verzehrende Sehnſucht
Fiel ihn an,
Eine Sehnſucht nach jener alten, ſchönen Zeit,
Als er ſelber noch jung war
Und die Welt, die träumende Welt,
In das bläuliche Dämmerlicht der Urzeit
Süß hineinduftete,
Zitternd und thaufriſch,
Wie eine jungerblühte, rothe Maienroſe!
Und zornentbrannt
Riß er die weihrauchduftende Schellenkappe,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/293>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.