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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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ihn als Weib besah, nicht als Pflanzenkenner, ge-
denke ich nur mit Freude und Dank der vielfachen
zarten Lieblingskinder der Natur. Ich ließ meine
Phantasie, von ihnen geleitet, von Norden nach
Süden schweifen, vom Japanischen Meer zu den
Hebriden, und las in den zarten Blumenkelchen,
in den tausendfachen Blätterformen die Größe der
Schöpfung.

Das Naturalienkabinet ist klein, aber wohl
gehalten, an See- und Schalenthieren reich, be-
sonders in der Schönheit der letzten, unter denen
ich wahre Putzschränkchens Exemplare fand. Un-
ter den in Weingeist aufbewahrten Mißgeburten
bemerkte ich einen Umstand, der dem liberalen,
wackern Aufseher dieser Anstalt gewiß als nichts-
bedeutend nur entgangen ist, allein bei der Wür-
de und Zweckmäßigkeit dieser Sammlung fällt er
als ganz heterogen auf. Ein Paar mißgeborne
Kinder haben Hals- und Armbänder von Perlen
und Korallen um, mit denen verziert sie in ihrer
übrigen nothwendigen Blöße sehr sittsam in ihrem
nassen Häuschen sitzen. Da das das einzige
Spielwerk war, welches ich bemerkte -- und da
mehrere Damen bei mir waren, hätte man gewiß
nicht ermangelt, uns die vorhandnen aufzutischen,

ihn als Weib beſah, nicht als Pflanzenkenner, ge-
denke ich nur mit Freude und Dank der vielfachen
zarten Lieblingskinder der Natur. Ich ließ meine
Phantaſie, von ihnen geleitet, von Norden nach
Suͤden ſchweifen, vom Japaniſchen Meer zu den
Hebriden, und las in den zarten Blumenkelchen,
in den tauſendfachen Blaͤtterformen die Groͤße der
Schoͤpfung.

Das Naturalienkabinet iſt klein, aber wohl
gehalten, an See- und Schalenthieren reich, be-
ſonders in der Schoͤnheit der letzten, unter denen
ich wahre Putzſchraͤnkchens Exemplare fand. Un-
ter den in Weingeiſt aufbewahrten Mißgeburten
bemerkte ich einen Umſtand, der dem liberalen,
wackern Aufſeher dieſer Anſtalt gewiß als nichts-
bedeutend nur entgangen iſt, allein bei der Wuͤr-
de und Zweckmaͤßigkeit dieſer Sammlung faͤllt er
als ganz heterogen auf. Ein Paar mißgeborne
Kinder haben Hals- und Armbaͤnder von Perlen
und Korallen um, mit denen verziert ſie in ihrer
uͤbrigen nothwendigen Bloͤße ſehr ſittſam in ihrem
naſſen Haͤuschen ſitzen. Da das das einzige
Spielwerk war, welches ich bemerkte — und da
mehrere Damen bei mir waren, haͤtte man gewiß
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[122/0136] ihn als Weib beſah, nicht als Pflanzenkenner, ge- denke ich nur mit Freude und Dank der vielfachen zarten Lieblingskinder der Natur. Ich ließ meine Phantaſie, von ihnen geleitet, von Norden nach Suͤden ſchweifen, vom Japaniſchen Meer zu den Hebriden, und las in den zarten Blumenkelchen, in den tauſendfachen Blaͤtterformen die Groͤße der Schoͤpfung. Das Naturalienkabinet iſt klein, aber wohl gehalten, an See- und Schalenthieren reich, be- ſonders in der Schoͤnheit der letzten, unter denen ich wahre Putzſchraͤnkchens Exemplare fand. Un- ter den in Weingeiſt aufbewahrten Mißgeburten bemerkte ich einen Umſtand, der dem liberalen, wackern Aufſeher dieſer Anſtalt gewiß als nichts- bedeutend nur entgangen iſt, allein bei der Wuͤr- de und Zweckmaͤßigkeit dieſer Sammlung faͤllt er als ganz heterogen auf. Ein Paar mißgeborne Kinder haben Hals- und Armbaͤnder von Perlen und Korallen um, mit denen verziert ſie in ihrer uͤbrigen nothwendigen Bloͤße ſehr ſittſam in ihrem naſſen Haͤuschen ſitzen. Da das das einzige Spielwerk war, welches ich bemerkte — und da mehrere Damen bei mir waren, haͤtte man gewiß nicht ermangelt, uns die vorhandnen aufzutiſchen,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/136>, abgerufen am 29.04.2024.