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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Abends um neun Uhr vor die Thore von Amster-
dam bringen. Die Amstel scheint mir hier breiter
wie der Rhein bei Mainz, der Himmel war um-
wölkt, aber der Mond spiegelte sich in der stillen
kräuselnden Fluth. Näher gegen die Stadt zu
ward das Schauspiel bezaubernd. Jenseits des
Wassers sah man allenthalben unter den Bäumen
hervor die Lichter der Wohnungen schimmern --
denn das ganze Ufer der Amstel ist mit Häusern
besäet, und diese Lichter zitterten im Wasser, und
spiegelten sich auf der großen Fläche, und wurden
jetzt von dem zarten Spiel der sie beschattenden
Zweige in tausend Funken getheilt, und zerflossen
dann von den kleinen Wellen fortgetragen, in tau-
send feurige Strahlen. Fern und nahe glühten
die Wellen, und fern und nahe glühte das Ufer;
um uns hohe Bäume, neben uns die freundlichen
Häuser die sie versteckten, und von denen wir wie-
der nichts wie die Lichter wahrnahmen, und zu-
weilen einen Ton ruhiger Menschenstimmen, die
der Zauberwelt den Stempel der Wirklichkeit auf-
drückten, ohne ihr Anmuth zu rauben; denn es
waren gemüthliche Töne, die an keinen Schmerz
erinnerten. Hätte sich doch zu diesem Schauspiel
von Ruhe und Größe, von Unbegrenztheit durch

Abends um neun Uhr vor die Thore von Amſter-
dam bringen. Die Amſtel ſcheint mir hier breiter
wie der Rhein bei Mainz, der Himmel war um-
woͤlkt, aber der Mond ſpiegelte ſich in der ſtillen
kraͤuſelnden Fluth. Naͤher gegen die Stadt zu
ward das Schauſpiel bezaubernd. Jenſeits des
Waſſers ſah man allenthalben unter den Baͤumen
hervor die Lichter der Wohnungen ſchimmern —
denn das ganze Ufer der Amſtel iſt mit Haͤuſern
beſaͤet, und dieſe Lichter zitterten im Waſſer, und
ſpiegelten ſich auf der großen Flaͤche, und wurden
jetzt von dem zarten Spiel der ſie beſchattenden
Zweige in tauſend Funken getheilt, und zerfloſſen
dann von den kleinen Wellen fortgetragen, in tau-
ſend feurige Strahlen. Fern und nahe gluͤhten
die Wellen, und fern und nahe gluͤhte das Ufer;
um uns hohe Baͤume, neben uns die freundlichen
Haͤuſer die ſie verſteckten, und von denen wir wie-
der nichts wie die Lichter wahrnahmen, und zu-
weilen einen Ton ruhiger Menſchenſtimmen, die
der Zauberwelt den Stempel der Wirklichkeit auf-
druͤckten, ohne ihr Anmuth zu rauben; denn es
waren gemuͤthliche Toͤne, die an keinen Schmerz
erinnerten. Haͤtte ſich doch zu dieſem Schauſpiel
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[128/0142] Abends um neun Uhr vor die Thore von Amſter- dam bringen. Die Amſtel ſcheint mir hier breiter wie der Rhein bei Mainz, der Himmel war um- woͤlkt, aber der Mond ſpiegelte ſich in der ſtillen kraͤuſelnden Fluth. Naͤher gegen die Stadt zu ward das Schauſpiel bezaubernd. Jenſeits des Waſſers ſah man allenthalben unter den Baͤumen hervor die Lichter der Wohnungen ſchimmern — denn das ganze Ufer der Amſtel iſt mit Haͤuſern beſaͤet, und dieſe Lichter zitterten im Waſſer, und ſpiegelten ſich auf der großen Flaͤche, und wurden jetzt von dem zarten Spiel der ſie beſchattenden Zweige in tauſend Funken getheilt, und zerfloſſen dann von den kleinen Wellen fortgetragen, in tau- ſend feurige Strahlen. Fern und nahe gluͤhten die Wellen, und fern und nahe gluͤhte das Ufer; um uns hohe Baͤume, neben uns die freundlichen Haͤuſer die ſie verſteckten, und von denen wir wie- der nichts wie die Lichter wahrnahmen, und zu- weilen einen Ton ruhiger Menſchenſtimmen, die der Zauberwelt den Stempel der Wirklichkeit auf- druͤckten, ohne ihr Anmuth zu rauben; denn es waren gemuͤthliche Toͤne, die an keinen Schmerz erinnerten. Haͤtte ſich doch zu dieſem Schauſpiel von Ruhe und Groͤße, von Unbegrenztheit durch

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/142>, abgerufen am 29.04.2024.