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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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nie beobachten können, sie umhüllen ihr Kinn im
sechzehnten wie im sechzigsten Jahre. Die Nord-
holländerinnen haben dabei noch eine saubre Er-
findung gemacht, um auch die Ahndung von ei-
nem schönen Nacken zu vernichten. An dem Hin-
tertheil ihrer Hauben ist ein faltiges Stück Zeug
von der Länge einer halben Elle gesetzt, das über
den Rücken fällt und einen artigen künstlichen
Buckel macht. Vorn über die Stirn haben sie ein
Band von Perlen oder Edelsteinen gebunden, über
welchem die Stirn wieder sichtbar ist, und oben
endlich mit steif geklebten Locken umgeben ist.
Der Ursprung dieses Kopfschmuckes geht gewiß in
das höchste Alterthum hinauf, die Binde kann
meinetwegen mit dem priesterlichen Schmuck des
Herthadienstes zusammenhängen, und die Hauben-
verlängerung ehemals ein rückwärts wogender
Schleier gewesen seyn. -- Möchte man doch wie-
der einigermaßen zum Alten zurückkehren! die rei-
nen Züge dieser Nordholländerinnen, ihre schöne
Gesichtsfarbe, ihr offnes blaues Auge verdienten
einen weniger entstellenden Aufputz.

Meiner bekannten Liebhaberei gemäß, suchte
ich an einem andern Tage die wilden Thiere auf,
welche hier auf königliche Kosten, jetzt in der Nähe

nie beobachten koͤnnen, ſie umhuͤllen ihr Kinn im
ſechzehnten wie im ſechzigſten Jahre. Die Nord-
hollaͤnderinnen haben dabei noch eine ſaubre Er-
findung gemacht, um auch die Ahndung von ei-
nem ſchoͤnen Nacken zu vernichten. An dem Hin-
tertheil ihrer Hauben iſt ein faltiges Stuͤck Zeug
von der Laͤnge einer halben Elle geſetzt, das uͤber
den Ruͤcken faͤllt und einen artigen kuͤnſtlichen
Buckel macht. Vorn uͤber die Stirn haben ſie ein
Band von Perlen oder Edelſteinen gebunden, uͤber
welchem die Stirn wieder ſichtbar iſt, und oben
endlich mit ſteif geklebten Locken umgeben iſt.
Der Urſprung dieſes Kopfſchmuckes geht gewiß in
das hoͤchſte Alterthum hinauf, die Binde kann
meinetwegen mit dem prieſterlichen Schmuck des
Herthadienſtes zuſammenhaͤngen, und die Hauben-
verlaͤngerung ehemals ein ruͤckwaͤrts wogender
Schleier geweſen ſeyn. — Moͤchte man doch wie-
der einigermaßen zum Alten zuruͤckkehren! die rei-
nen Zuͤge dieſer Nordhollaͤnderinnen, ihre ſchoͤne
Geſichtsfarbe, ihr offnes blaues Auge verdienten
einen weniger entſtellenden Aufputz.

Meiner bekannten Liebhaberei gemaͤß, ſuchte
ich an einem andern Tage die wilden Thiere auf,
welche hier auf koͤnigliche Koſten, jetzt in der Naͤhe

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[190/0204] nie beobachten koͤnnen, ſie umhuͤllen ihr Kinn im ſechzehnten wie im ſechzigſten Jahre. Die Nord- hollaͤnderinnen haben dabei noch eine ſaubre Er- findung gemacht, um auch die Ahndung von ei- nem ſchoͤnen Nacken zu vernichten. An dem Hin- tertheil ihrer Hauben iſt ein faltiges Stuͤck Zeug von der Laͤnge einer halben Elle geſetzt, das uͤber den Ruͤcken faͤllt und einen artigen kuͤnſtlichen Buckel macht. Vorn uͤber die Stirn haben ſie ein Band von Perlen oder Edelſteinen gebunden, uͤber welchem die Stirn wieder ſichtbar iſt, und oben endlich mit ſteif geklebten Locken umgeben iſt. Der Urſprung dieſes Kopfſchmuckes geht gewiß in das hoͤchſte Alterthum hinauf, die Binde kann meinetwegen mit dem prieſterlichen Schmuck des Herthadienſtes zuſammenhaͤngen, und die Hauben- verlaͤngerung ehemals ein ruͤckwaͤrts wogender Schleier geweſen ſeyn. — Moͤchte man doch wie- der einigermaßen zum Alten zuruͤckkehren! die rei- nen Zuͤge dieſer Nordhollaͤnderinnen, ihre ſchoͤne Geſichtsfarbe, ihr offnes blaues Auge verdienten einen weniger entſtellenden Aufputz. Meiner bekannten Liebhaberei gemaͤß, ſuchte ich an einem andern Tage die wilden Thiere auf, welche hier auf koͤnigliche Koſten, jetzt in der Naͤhe

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/204>, abgerufen am 29.04.2024.