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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Amsterdammer Ballet, das mit lauter Holländern
besetzt ist, soll nach dem Ausspruch von Menschen,
die Pariser Tänzer gewohnt sind, gar nicht unter
die schlechten gehören. Wie mir bei den Hollän-
dern in weißen Pantöffelchen, die in der Luft wir-
belten, Ruyters beharrnischte Gestalt einfiel, wie
sie auf dem marmornen Sarkophage lag, und
Barnvelds fester Schritt wie er zum Hochgericht
ging -- wollte ich ein krauses Gesicht machen --
da fielen mir aber die Helden ein, die Vestris Zeit-
genossen und Landsleute sind, und ich besänftigte
mich, obschon ich die barbarische Ketzerei nicht
ganz leugnen kann, die mir manchmal den Wahn
erregt, als seyen die Nationen edler gewesen, die
ihre Tänzer -- -- nicht unter ihre Mitbürger
zählten. Mir ist jeder Balletpas, der nicht na-
türlich ist, schmerzhaft. -- Ein paar Kinder von
sechs bis sieben Jahren standen zur unaussprechli-
chen Freude der Zuschauer in ihrem leichten Sprun-
ge still, und streckten viele Sekunden lang Arm
und Bein so scheuslich in die Luft, daß ich hätte
weinen mögen. Von diesen Künsten kann ich nicht
eher urtheilen, bis ich mir ein Ideal gebildet ha-
be, und das fehlt mir, so lange mir der frohe
Reihen einiger jungen Mädchen den Leibreiz des

Amſterdammer Ballet, das mit lauter Hollaͤndern
beſetzt iſt, ſoll nach dem Ausſpruch von Menſchen,
die Pariſer Taͤnzer gewohnt ſind, gar nicht unter
die ſchlechten gehoͤren. Wie mir bei den Hollaͤn-
dern in weißen Pantoͤffelchen, die in der Luft wir-
belten, Ruyters beharrniſchte Geſtalt einfiel, wie
ſie auf dem marmornen Sarkophage lag, und
Barnvelds feſter Schritt wie er zum Hochgericht
ging — wollte ich ein krauſes Geſicht machen —
da fielen mir aber die Helden ein, die Veſtris Zeit-
genoſſen und Landsleute ſind, und ich beſaͤnftigte
mich, obſchon ich die barbariſche Ketzerei nicht
ganz leugnen kann, die mir manchmal den Wahn
erregt, als ſeyen die Nationen edler geweſen, die
ihre Taͤnzer — — nicht unter ihre Mitbuͤrger
zaͤhlten. Mir iſt jeder Balletpas, der nicht na-
tuͤrlich iſt, ſchmerzhaft. — Ein paar Kinder von
ſechs bis ſieben Jahren ſtanden zur unausſprechli-
chen Freude der Zuſchauer in ihrem leichten Sprun-
ge ſtill, und ſtreckten viele Sekunden lang Arm
und Bein ſo ſcheuslich in die Luft, daß ich haͤtte
weinen moͤgen. Von dieſen Kuͤnſten kann ich nicht
eher urtheilen, bis ich mir ein Ideal gebildet ha-
be, und das fehlt mir, ſo lange mir der frohe
Reihen einiger jungen Maͤdchen den Leibreiz des

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[217/0231] Amſterdammer Ballet, das mit lauter Hollaͤndern beſetzt iſt, ſoll nach dem Ausſpruch von Menſchen, die Pariſer Taͤnzer gewohnt ſind, gar nicht unter die ſchlechten gehoͤren. Wie mir bei den Hollaͤn- dern in weißen Pantoͤffelchen, die in der Luft wir- belten, Ruyters beharrniſchte Geſtalt einfiel, wie ſie auf dem marmornen Sarkophage lag, und Barnvelds feſter Schritt wie er zum Hochgericht ging — wollte ich ein krauſes Geſicht machen — da fielen mir aber die Helden ein, die Veſtris Zeit- genoſſen und Landsleute ſind, und ich beſaͤnftigte mich, obſchon ich die barbariſche Ketzerei nicht ganz leugnen kann, die mir manchmal den Wahn erregt, als ſeyen die Nationen edler geweſen, die ihre Taͤnzer — — nicht unter ihre Mitbuͤrger zaͤhlten. Mir iſt jeder Balletpas, der nicht na- tuͤrlich iſt, ſchmerzhaft. — Ein paar Kinder von ſechs bis ſieben Jahren ſtanden zur unausſprechli- chen Freude der Zuſchauer in ihrem leichten Sprun- ge ſtill, und ſtreckten viele Sekunden lang Arm und Bein ſo ſcheuslich in die Luft, daß ich haͤtte weinen moͤgen. Von dieſen Kuͤnſten kann ich nicht eher urtheilen, bis ich mir ein Ideal gebildet ha- be, und das fehlt mir, ſo lange mir der frohe Reihen einiger jungen Maͤdchen den Leibreiz des

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/231>, abgerufen am 29.04.2024.