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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Tanzes zu erschöpfen scheint. Männer mag ich
ohnehin nicht tanzen sehen -- unsre Tänze näm-
lich. Wenns einmal wieder Zeit ist, so mögen sie
Krieges- und Siegestänze anführen -- bis jetzt
ist mir der Jüngling, der sein Mädchen auf dem
grünen Rasen herum dreht, oder nach dem Ton
einer Theorbe die Tarantula tanzt, das reizendste
Ballet. Sehe ich Seiltänzerkünste, so abstrahire
ich von ihrer Brodlosigkeit, und der Anblick wird
mir eine sehr interessante Berechnung des Gleich-
gewichts beim Muskelspiel. Aber im Tanze ver-
letzt mich die leicht überschrittene Linie zwischen
Kunst und Verzerrung. Ich liebe den Tanz so
ernstlich, er soll alles ausdrücken, er soll jede
Sprache reden, aber nicht die der Andreaskreuze
und Brummkrüsel. Diese Kunststückchen abge-
rechnet, tanzten verschiedne der Leutchen recht
gut. Die Prima Donna wird sehr bewundert,
mir gefiel die zweite Tänzerin besser, weil sie eine
vorzüglich sanfte Linie vom Kopf zur Schulter
hatte. Und endlich war ein Moment in dem ei-
nen Ballet, da hätte ichs beinahe wie Springlove
in der Bettles Oper gemacht, da er den Guckguck
rufen hört -- ich wär fast fortgelaufen bis * *.
Das Theater stellte plötzlich ein Feld mit Garben

Tanzes zu erſchoͤpfen ſcheint. Maͤnner mag ich
ohnehin nicht tanzen ſehen — unſre Taͤnze naͤm-
lich. Wenns einmal wieder Zeit iſt, ſo moͤgen ſie
Krieges- und Siegestaͤnze anfuͤhren — bis jetzt
iſt mir der Juͤngling, der ſein Maͤdchen auf dem
gruͤnen Raſen herum dreht, oder nach dem Ton
einer Theorbe die Tarantula tanzt, das reizendſte
Ballet. Sehe ich Seiltaͤnzerkuͤnſte, ſo abſtrahire
ich von ihrer Brodloſigkeit, und der Anblick wird
mir eine ſehr intereſſante Berechnung des Gleich-
gewichts beim Muskelſpiel. Aber im Tanze ver-
letzt mich die leicht uͤberſchrittene Linie zwiſchen
Kunſt und Verzerrung. Ich liebe den Tanz ſo
ernſtlich, er ſoll alles ausdruͤcken, er ſoll jede
Sprache reden, aber nicht die der Andreaskreuze
und Brummkruͤſel. Dieſe Kunſtſtuͤckchen abge-
rechnet, tanzten verſchiedne der Leutchen recht
gut. Die Prima Donna wird ſehr bewundert,
mir gefiel die zweite Taͤnzerin beſſer, weil ſie eine
vorzuͤglich ſanfte Linie vom Kopf zur Schulter
hatte. Und endlich war ein Moment in dem ei-
nen Ballet, da haͤtte ichs beinahe wie Springlove
in der Bettles Oper gemacht, da er den Guckguck
rufen hoͤrt — ich waͤr faſt fortgelaufen bis * *.
Das Theater ſtellte ploͤtzlich ein Feld mit Garben

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[218/0232] Tanzes zu erſchoͤpfen ſcheint. Maͤnner mag ich ohnehin nicht tanzen ſehen — unſre Taͤnze naͤm- lich. Wenns einmal wieder Zeit iſt, ſo moͤgen ſie Krieges- und Siegestaͤnze anfuͤhren — bis jetzt iſt mir der Juͤngling, der ſein Maͤdchen auf dem gruͤnen Raſen herum dreht, oder nach dem Ton einer Theorbe die Tarantula tanzt, das reizendſte Ballet. Sehe ich Seiltaͤnzerkuͤnſte, ſo abſtrahire ich von ihrer Brodloſigkeit, und der Anblick wird mir eine ſehr intereſſante Berechnung des Gleich- gewichts beim Muskelſpiel. Aber im Tanze ver- letzt mich die leicht uͤberſchrittene Linie zwiſchen Kunſt und Verzerrung. Ich liebe den Tanz ſo ernſtlich, er ſoll alles ausdruͤcken, er ſoll jede Sprache reden, aber nicht die der Andreaskreuze und Brummkruͤſel. Dieſe Kunſtſtuͤckchen abge- rechnet, tanzten verſchiedne der Leutchen recht gut. Die Prima Donna wird ſehr bewundert, mir gefiel die zweite Taͤnzerin beſſer, weil ſie eine vorzuͤglich ſanfte Linie vom Kopf zur Schulter hatte. Und endlich war ein Moment in dem ei- nen Ballet, da haͤtte ichs beinahe wie Springlove in der Bettles Oper gemacht, da er den Guckguck rufen hoͤrt — ich waͤr faſt fortgelaufen bis * *. Das Theater ſtellte ploͤtzlich ein Feld mit Garben

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/232>, abgerufen am 28.04.2024.