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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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aushauchte. Hiersollten nun Gräben gezogen und
Polder eingedeicht werden, und mit dieser erhei-
ternden Aussicht beschäftigt, nahte ich mich Rot-
terdam.

Ich wollte, ihr sähet Rotterdam. Wenn die
Menschenwerke so konsequent groß sind, daß ihr
Anblick an den Götterfunken mahnt, der sie er-
schuf, so machen sie einen sehr schönen Eindruck.
Diese Stadt ist für den Handel geschaffen -- das
sagt der erste Blick, und alle nähere Betrachtun-
gen bestätigen es. Die breiten Kanäle, allenthal-
ben mit Quadersteinen eingefaßt, sind in vielen
Straßen mit hohen Bäumen bepflanzt, neben de-
nen breite Wege hergehen, und feste, schön ge-
mauerte Häuser umgeben sie. Auf den Kanälen,
die des nahen Stromes wegen ein viel bewegteres
Wasser haben, als in Amsterdam, liegen unzäh-
lige Schiffe aller Nationen, und vor den schönen
Häusern erblickt man durch die freundlichen Zwei-
ge der Buchen und Linden Dreimaster und Ostin-
dienfahrer, und hört die verschiedensten Zungen re-
den, auf den wandelnden Wohnungen, die hier
auf eine Zeitlang Ansassen geworden scheinen.
Die Gewohnheit macht, daß man die Schiffe der
verschiedenen Nationen sogleich an der Bauart er-

aushauchte. Hierſollten nun Graͤben gezogen und
Polder eingedeicht werden, und mit dieſer erhei-
ternden Ausſicht beſchaͤftigt, nahte ich mich Rot-
terdam.

Ich wollte, ihr ſaͤhet Rotterdam. Wenn die
Menſchenwerke ſo konſequent groß ſind, daß ihr
Anblick an den Goͤtterfunken mahnt, der ſie er-
ſchuf, ſo machen ſie einen ſehr ſchoͤnen Eindruck.
Dieſe Stadt iſt fuͤr den Handel geſchaffen — das
ſagt der erſte Blick, und alle naͤhere Betrachtun-
gen beſtaͤtigen es. Die breiten Kanaͤle, allenthal-
ben mit Quaderſteinen eingefaßt, ſind in vielen
Straßen mit hohen Baͤumen bepflanzt, neben de-
nen breite Wege hergehen, und feſte, ſchoͤn ge-
mauerte Haͤuſer umgeben ſie. Auf den Kanaͤlen,
die des nahen Stromes wegen ein viel bewegteres
Waſſer haben, als in Amſterdam, liegen unzaͤh-
lige Schiffe aller Nationen, und vor den ſchoͤnen
Haͤuſern erblickt man durch die freundlichen Zwei-
ge der Buchen und Linden Dreimaſter und Oſtin-
dienfahrer, und hoͤrt die verſchiedenſten Zungen re-
den, auf den wandelnden Wohnungen, die hier
auf eine Zeitlang Anſaſſen geworden ſcheinen.
Die Gewohnheit macht, daß man die Schiffe der
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[360/0374] aushauchte. Hierſollten nun Graͤben gezogen und Polder eingedeicht werden, und mit dieſer erhei- ternden Ausſicht beſchaͤftigt, nahte ich mich Rot- terdam. Ich wollte, ihr ſaͤhet Rotterdam. Wenn die Menſchenwerke ſo konſequent groß ſind, daß ihr Anblick an den Goͤtterfunken mahnt, der ſie er- ſchuf, ſo machen ſie einen ſehr ſchoͤnen Eindruck. Dieſe Stadt iſt fuͤr den Handel geſchaffen — das ſagt der erſte Blick, und alle naͤhere Betrachtun- gen beſtaͤtigen es. Die breiten Kanaͤle, allenthal- ben mit Quaderſteinen eingefaßt, ſind in vielen Straßen mit hohen Baͤumen bepflanzt, neben de- nen breite Wege hergehen, und feſte, ſchoͤn ge- mauerte Haͤuſer umgeben ſie. Auf den Kanaͤlen, die des nahen Stromes wegen ein viel bewegteres Waſſer haben, als in Amſterdam, liegen unzaͤh- lige Schiffe aller Nationen, und vor den ſchoͤnen Haͤuſern erblickt man durch die freundlichen Zwei- ge der Buchen und Linden Dreimaſter und Oſtin- dienfahrer, und hoͤrt die verſchiedenſten Zungen re- den, auf den wandelnden Wohnungen, die hier auf eine Zeitlang Anſaſſen geworden ſcheinen. Die Gewohnheit macht, daß man die Schiffe der verſchiedenen Nationen ſogleich an der Bauart er-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/374>, abgerufen am 14.05.2024.