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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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gen, die uns gern bei dem Weh ergreift, das von
persönlichen Rücksichten entfernt ist. Der fremde
Jüngling wird uns zum Symbol des Vergängli-
chen -- wir erkennen die Allgewalt des Todes
ohne uneigennützigen Schmerz, und dieses reinere
Gefühl erhebt die sich selbst nie bewußte Menge.
Auch in Moosbach begegnete ich dem Gepränge
der letzten Erdenscene. Ein feindseliges Nerven-
fieber riß in der umliegenden Gegend viele dahin;
in den drei Tagen meines Aufenthalts sah ich drei
Leichen vorüber führen. Und hier in Cölln war
eine Bahre der erste Anblick, der sich mir darbot.
Ein sanfter erhebender Anblick! dieser kleine Tod-
tenkasten mit seinen fröhlichen Blumengehängen,
und den zarten Schleier, der den kleinen Schläfer
deckte. --

Ich ließ mir den Schatz zeigen. Mir machen
diese alten Dinge Vergnügen, und * * hatte der-
gleichen noch nie gesehen. Die heiligen drei Köni-
ge sind nach ihrer Flucht vor der französischen Ar-
mee unversehrt zurückgekommen. Wie man sie in
Frankfurt ergriff, sollten sie, so sagte mir der
Geistliche, welcher mir diese Schätze zeigte, eben
nach Oesterreich abgeführt werden; sie blieben lan-
ge in Verwahrung des Siegers, wurden aber

gen, die uns gern bei dem Weh ergreift, das von
perſoͤnlichen Ruͤckſichten entfernt iſt. Der fremde
Juͤngling wird uns zum Symbol des Vergaͤngli-
chen — wir erkennen die Allgewalt des Todes
ohne uneigennuͤtzigen Schmerz, und dieſes reinere
Gefuͤhl erhebt die ſich ſelbſt nie bewußte Menge.
Auch in Moosbach begegnete ich dem Gepraͤnge
der letzten Erdenſcene. Ein feindſeliges Nerven-
fieber riß in der umliegenden Gegend viele dahin;
in den drei Tagen meines Aufenthalts ſah ich drei
Leichen voruͤber fuͤhren. Und hier in Coͤlln war
eine Bahre der erſte Anblick, der ſich mir darbot.
Ein ſanfter erhebender Anblick! dieſer kleine Tod-
tenkaſten mit ſeinen froͤhlichen Blumengehaͤngen,
und den zarten Schleier, der den kleinen Schlaͤfer
deckte. —

Ich ließ mir den Schatz zeigen. Mir machen
dieſe alten Dinge Vergnuͤgen, und * * hatte der-
gleichen noch nie geſehen. Die heiligen drei Koͤni-
ge ſind nach ihrer Flucht vor der franzoͤſiſchen Ar-
mee unverſehrt zuruͤckgekommen. Wie man ſie in
Frankfurt ergriff, ſollten ſie, ſo ſagte mir der
Geiſtliche, welcher mir dieſe Schaͤtze zeigte, eben
nach Oeſterreich abgefuͤhrt werden; ſie blieben lan-
ge in Verwahrung des Siegers, wurden aber

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[69/0083] gen, die uns gern bei dem Weh ergreift, das von perſoͤnlichen Ruͤckſichten entfernt iſt. Der fremde Juͤngling wird uns zum Symbol des Vergaͤngli- chen — wir erkennen die Allgewalt des Todes ohne uneigennuͤtzigen Schmerz, und dieſes reinere Gefuͤhl erhebt die ſich ſelbſt nie bewußte Menge. Auch in Moosbach begegnete ich dem Gepraͤnge der letzten Erdenſcene. Ein feindſeliges Nerven- fieber riß in der umliegenden Gegend viele dahin; in den drei Tagen meines Aufenthalts ſah ich drei Leichen voruͤber fuͤhren. Und hier in Coͤlln war eine Bahre der erſte Anblick, der ſich mir darbot. Ein ſanfter erhebender Anblick! dieſer kleine Tod- tenkaſten mit ſeinen froͤhlichen Blumengehaͤngen, und den zarten Schleier, der den kleinen Schlaͤfer deckte. — Ich ließ mir den Schatz zeigen. Mir machen dieſe alten Dinge Vergnuͤgen, und * * hatte der- gleichen noch nie geſehen. Die heiligen drei Koͤni- ge ſind nach ihrer Flucht vor der franzoͤſiſchen Ar- mee unverſehrt zuruͤckgekommen. Wie man ſie in Frankfurt ergriff, ſollten ſie, ſo ſagte mir der Geiſtliche, welcher mir dieſe Schaͤtze zeigte, eben nach Oeſterreich abgefuͤhrt werden; ſie blieben lan- ge in Verwahrung des Siegers, wurden aber

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/83>, abgerufen am 29.04.2024.