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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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dem Publikum dienendes Institut geworden; die Postbeamten
waren -- und das ist für das Wesen und die Stellung des
modernen Postdienstes (wie für die Motivierung z. B. des
Telephon-Regals, der Privat-Stadtpost etc.) wichtig -- nur
der äusseren Form nach noch kaiserliche, dagegen
waren sie dem Wesen nach kaufmännische Diener
des allgemeinen Verkehrs
geworden, deren Institut
allerdings, etwa wie später die Porzellan-, Gobelin-, Ta-
baks-Manufakturen, monopolisiert war.

Die Bestallung Seitens Karls V. war gegenüber den
Reichsständen meritorisch nichts anderes gewesen, als ein
Passe-partout und eine "Salva guardia", wie sie auch von den
Kaisern Leopold I. 1698, Joseph I. 1706 u. s. w. ausgestellt
wurde, und nur das Ersuchen enthielt, den kaiserlichen Hof-
kurier frei passieren zu lassen; das Patent Rudolfs II. da-
gegen leitete die Unterdrückung der privaten Konkurrenz
ein mit der unzutreffenden Rechtsfiktion, als ob das neue
Monopol dasselbe Ding sei, als die frühere selbstverständliche
Ausschliesslichkeit der Beförderung der Staatsdepeschen.

Naturgemäss fasst nun die Postverwaltung, sobald sie
sich in ihren Subsistenzmitteln allein auf diesen ihren früheren
Nebenverdienst angewiesen sieht,

1) jede andere Beförderungsanstalt als schädigende und
unberechtigte Konkurrenz auf; sie beansprucht den Allein-
bezug der Einnahmen, oder das Monopol; den allein mög-
liche Rechtstitel für eine solche Privilegierung konnte nur
eine Erfindung verschaffen, daher wird der Mythus von
der ingeniösen Einrichtung des Roger oder Franz v. Taxis
sofort und bis auf den heutigen Tag tendenziös ausge-
schmückt;

2) beschränkt sich die Postverwaltung nicht mehr auf
den Fern- und Transitverkehr zwischen den Hofkanzleien
(auf die Route Brüssel--Wien--Madrid), sondern sucht
auch den Unterwegsverkehr (z. B. Stuttgart--Ulm), die

dem Publikum dienendes Institut geworden; die Postbeamten
waren — und das ist für das Wesen und die Stellung des
modernen Postdienstes (wie für die Motivierung z. B. des
Telephon-Regals, der Privat-Stadtpost etc.) wichtig — nur
der äusseren Form nach noch kaiserliche, dagegen
waren sie dem Wesen nach kaufmännische Diener
des allgemeinen Verkehrs
geworden, deren Institut
allerdings, etwa wie später die Porzellan-, Gobelin-, Ta-
baks-Manufakturen, monopolisiert war.

Die Bestallung Seitens Karls V. war gegenüber den
Reichsständen meritorisch nichts anderes gewesen, als ein
Passe-partout und eine »Salva guardia«, wie sie auch von den
Kaisern Leopold I. 1698, Joseph I. 1706 u. s. w. ausgestellt
wurde, und nur das Ersuchen enthielt, den kaiserlichen Hof-
kurier frei passieren zu lassen; das Patent Rudolfs II. da-
gegen leitete die Unterdrückung der privaten Konkurrenz
ein mit der unzutreffenden Rechtsfiktion, als ob das neue
Monopol dasselbe Ding sei, als die frühere selbstverständliche
Ausschliesslichkeit der Beförderung der Staatsdepeschen.

Naturgemäss fasst nun die Postverwaltung, sobald sie
sich in ihren Subsistenzmitteln allein auf diesen ihren früheren
Nebenverdienst angewiesen sieht,

1) jede andere Beförderungsanstalt als schädigende und
unberechtigte Konkurrenz auf; sie beansprucht den Allein-
bezug der Einnahmen, oder das Monopol; den allein mög-
liche Rechtstitel für eine solche Privilegierung konnte nur
eine Erfindung verschaffen, daher wird der Mythus von
der ingeniösen Einrichtung des Roger oder Franz v. Taxis
sofort und bis auf den heutigen Tag tendenziös ausge-
schmückt;

2) beschränkt sich die Postverwaltung nicht mehr auf
den Fern- und Transitverkehr zwischen den Hofkanzleien
(auf die Route Brüssel—Wien—Madrid), sondern sucht
auch den Unterwegsverkehr (z. B. Stuttgart—Ulm), die

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[91/0107] dem Publikum dienendes Institut geworden; die Postbeamten waren — und das ist für das Wesen und die Stellung des modernen Postdienstes (wie für die Motivierung z. B. des Telephon-Regals, der Privat-Stadtpost etc.) wichtig — nur der äusseren Form nach noch kaiserliche, dagegen waren sie dem Wesen nach kaufmännische Diener des allgemeinen Verkehrs geworden, deren Institut allerdings, etwa wie später die Porzellan-, Gobelin-, Ta- baks-Manufakturen, monopolisiert war. Die Bestallung Seitens Karls V. war gegenüber den Reichsständen meritorisch nichts anderes gewesen, als ein Passe-partout und eine »Salva guardia«, wie sie auch von den Kaisern Leopold I. 1698, Joseph I. 1706 u. s. w. ausgestellt wurde, und nur das Ersuchen enthielt, den kaiserlichen Hof- kurier frei passieren zu lassen; das Patent Rudolfs II. da- gegen leitete die Unterdrückung der privaten Konkurrenz ein mit der unzutreffenden Rechtsfiktion, als ob das neue Monopol dasselbe Ding sei, als die frühere selbstverständliche Ausschliesslichkeit der Beförderung der Staatsdepeschen. Naturgemäss fasst nun die Postverwaltung, sobald sie sich in ihren Subsistenzmitteln allein auf diesen ihren früheren Nebenverdienst angewiesen sieht, 1) jede andere Beförderungsanstalt als schädigende und unberechtigte Konkurrenz auf; sie beansprucht den Allein- bezug der Einnahmen, oder das Monopol; den allein mög- liche Rechtstitel für eine solche Privilegierung konnte nur eine Erfindung verschaffen, daher wird der Mythus von der ingeniösen Einrichtung des Roger oder Franz v. Taxis sofort und bis auf den heutigen Tag tendenziös ausge- schmückt; 2) beschränkt sich die Postverwaltung nicht mehr auf den Fern- und Transitverkehr zwischen den Hofkanzleien (auf die Route Brüssel—Wien—Madrid), sondern sucht auch den Unterwegsverkehr (z. B. Stuttgart—Ulm), die

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/107>, abgerufen am 30.04.2024.