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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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nutiva mit unter/ die sich nimmermehr/
ohne Verletzung der gravität/ gebrau-
chen lassen. z. e.

1. Das klingt ja kindisch:
Mein hertzgeliebtes Schwestergen
Gieb mir ein Liebes-Pflästergen/
Und hilff mir armen Knäbelein/
Sonst muß ich bald ins Gräbelein.
2. Und das klingt hingegen ernsthafft:
Jch liebe dich mein Kind von Hertzen/
Ach lindre mir die Liebes-Schmertzen:
Wirstu mein Wünschen nicht vergnügen/
So werd ich bald im Grabe liegen.

XIII. Hernach ist es wider die na-
türliche construction der deutschen
Sprache/ und es kan ohne Zwang
nicht abgehen/ wenn dergleichen drey-
sylbigte Wörter auf die letzt sollen zu
stehen kommen. z. e.

1. Jst das nicht gezwungen?
Wenn mich Leute frageten/
Wenn mich die betageten
Weiber delectireten/
Und das Hertze rühreten?
Spräch' ich: wenn sie sterbende
Sind den Himmel erbende.
2. Und

nutiva mit unter/ die ſich nim̃ermehr/
ohne Verletzung der gravitaͤt/ gebrau-
chen laſſen. z. e.

1. Das klingt ja kindiſch:
Mein hertzgeliebtes Schweſtergen
Gieb mir ein Liebes-Pflaͤſtergen/
Und hilff mir armen Knaͤbelein/
Sonſt muß ich bald ins Graͤbelein.
2. Und das klingt hingegen ernſthafft:
Jch liebe dich mein Kind von Hertzen/
Ach lindre mir die Liebes-Schmertzen:
Wirſtu mein Wuͤnſchen nicht veꝛgnuͤgen/
So werd ich bald im Grabe liegen.

XIII. Hernach iſt es wider die na-
tuͤrliche conſtruction der deutſchen
Sprache/ und es kan ohne Zwang
nicht abgehen/ wenn dergleichen drey-
ſylbigte Woͤrter auf die letzt ſollen zu
ſtehen kommen. z. e.

1. Jſt das nicht gezwungen?
Wenn mich Leute frageten/
Wenn mich die betageten
Weiber delectireten/
Und das Hertze ruͤhreten?
Spraͤch' ich: wenn ſie ſterbende
Sind den Himmel erbende.
2. Und
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[15/0019] nutiva mit unter/ die ſich nim̃ermehr/ ohne Verletzung der gravitaͤt/ gebrau- chen laſſen. z. e. 1. Das klingt ja kindiſch: Mein hertzgeliebtes Schweſtergen Gieb mir ein Liebes-Pflaͤſtergen/ Und hilff mir armen Knaͤbelein/ Sonſt muß ich bald ins Graͤbelein. 2. Und das klingt hingegen ernſthafft: Jch liebe dich mein Kind von Hertzen/ Ach lindre mir die Liebes-Schmertzen: Wirſtu mein Wuͤnſchen nicht veꝛgnuͤgen/ So werd ich bald im Grabe liegen. XIII. Hernach iſt es wider die na- tuͤrliche conſtruction der deutſchen Sprache/ und es kan ohne Zwang nicht abgehen/ wenn dergleichen drey- ſylbigte Woͤrter auf die letzt ſollen zu ſtehen kommen. z. e. 1. Jſt das nicht gezwungen? Wenn mich Leute frageten/ Wenn mich die betageten Weiber delectireten/ Und das Hertze ruͤhreten? Spraͤch' ich: wenn ſie ſterbende Sind den Himmel erbende. 2. Und

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/19>, abgerufen am 29.04.2024.