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Humboldt, Alexander von: Bericht über die Naturhistorischen Reisen der Herren Ehrenberg und Hemprich; durch Ägypten, Dongola, Syrien, Arabien und den östlichen Abfall des Habessinischen Hochlandes, in den Jahren 1820-1825. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, physikalische Klasse. Berlin, 1826, S. 111-134.

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tungen und Erfahrungen von so grosser Bedeutung, dass man sich schon
für befriedigt erklären könnte, wenn dies auch der einzige Gewinn von ihrer
Unternehmung gewesen wäre. Denn derselbe ist von einem Umfang, bei
welchem es fast unbegreiflich wird, wie sie noch für die übrigen Zweige
der Naturgeschichte so Vieles zu leisten im Stande waren.

Die Wahrheit dieser Behauptung wird sich aus den folgenden Angaben
näher und unwiderleglich ergeben.

An Säugethieren sandten sie in Allem nicht weniger als 590 Indivi-
duen, die zu 135 unterschiedenen Arten gehörten. Die wenigsten derselben
waren bisher überhaupt oder in genauen Beschreibungen bekannt. Überall
lieferten die Exemplare oder die darüber angestellten Beobachtungen die
wichtigsten Aufschlüsse über Angaben alter Schriftsteller, über Zweifel der
Neueren, über die Bedeutung alterthümlicher bildlicher Darstellungen. Die
Menge und Auswahl der Exemplare gab zugleich Rechenschaft über Ver-
änderungen nach Geschlecht, Alter und Jahrszeit, gleichzeitige anatomische
Untersuchung vollendete das Bild, das man sich von ihrem Wesen zu ent-
werfen habe und liess späteren Forschungen kaum etwas zu thun übrig. Die
wenigen bekannteren Formen waren belangreich für die Kenntniss ihrer geo-
graphischen Verbreitung und für die Betrachtung etwaniger Umgestaltung
einzelner Gebilde als Folge der so sehr unterschiedenen klimatischen Ein-
flüsse, unter welchen sie angetroffen wurden.

Alles Erhebliche zu nennen verbietet die Beschränkung, die diesem
Bericht gegeben werden muss. Nur Einzelnes sei Beispielsweise genannt.

In der Ordnung der Nager lernten wir durch diese Unternehmung
nicht nur den lybischen Hasen zuerst genauer kennen, sondern zwei merk-
würdige Abänderungen seiner Form, vielleicht eigene Arten, wurden die
eine in Nubien, die andere am Sinai entdeckt. Die sonderbare Familie der
Springmäuse sowohl in der Form der dreizehigen (Dipus) als der fünfzehi-
gen (Meriones) erlangte durch die Entdeckung vieler neuen Arten einen
Reichthum, der vorher nicht geahnet werden konnte. Seltsam klingende
Angaben von Bruce, Meyer, selbst von Pallas wurden durch sie zur Klar-
heit gebracht oder auf das Befriedigendste berichtigt. Überraschend war
überhaupt die Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit der Bildung so vieler
kleiner unterirdisch lebender mäuseartiger Nagethiere, die das Nilthal, Ara-
bien
und Syrien hervorbringen, und wichtig die Vergleichung aller dieser

tungen und Erfahrungen von so groſser Bedeutung, daſs man sich schon
für befriedigt erklären könnte, wenn dies auch der einzige Gewinn von ihrer
Unternehmung gewesen wäre. Denn derselbe ist von einem Umfang, bei
welchem es fast unbegreiflich wird, wie sie noch für die übrigen Zweige
der Naturgeschichte so Vieles zu leisten im Stande waren.

Die Wahrheit dieser Behauptung wird sich aus den folgenden Angaben
näher und unwiderleglich ergeben.

An Säugethieren sandten sie in Allem nicht weniger als 590 Indivi-
duen, die zu 135 unterschiedenen Arten gehörten. Die wenigsten derselben
waren bisher überhaupt oder in genauen Beschreibungen bekannt. Überall
lieferten die Exemplare oder die darüber angestellten Beobachtungen die
wichtigsten Aufschlüsse über Angaben alter Schriftsteller, über Zweifel der
Neueren, über die Bedeutung alterthümlicher bildlicher Darstellungen. Die
Menge und Auswahl der Exemplare gab zugleich Rechenschaft über Ver-
änderungen nach Geschlecht, Alter und Jahrszeit, gleichzeitige anatomische
Untersuchung vollendete das Bild, das man sich von ihrem Wesen zu ent-
werfen habe und lieſs späteren Forschungen kaum etwas zu thun übrig. Die
wenigen bekannteren Formen waren belangreich für die Kenntniſs ihrer geo-
graphischen Verbreitung und für die Betrachtung etwaniger Umgestaltung
einzelner Gebilde als Folge der so sehr unterschiedenen klimatischen Ein-
flüsse, unter welchen sie angetroffen wurden.

Alles Erhebliche zu nennen verbietet die Beschränkung, die diesem
Bericht gegeben werden muſs. Nur Einzelnes sei Beispielsweise genannt.

In der Ordnung der Nager lernten wir durch diese Unternehmung
nicht nur den lybischen Hasen zuerst genauer kennen, sondern zwei merk-
würdige Abänderungen seiner Form, vielleicht eigene Arten, wurden die
eine in Nubien, die andere am Sinai entdeckt. Die sonderbare Familie der
Springmäuse sowohl in der Form der dreizehigen (Dipus) als der fünfzehi-
gen (Meriones) erlangte durch die Entdeckung vieler neuen Arten einen
Reichthum, der vorher nicht geahnet werden konnte. Seltsam klingende
Angaben von Bruce, Meyer, selbst von Pallas wurden durch sie zur Klar-
heit gebracht oder auf das Befriedigendste berichtigt. Überraschend war
überhaupt die Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit der Bildung so vieler
kleiner unterirdisch lebender mäuseartiger Nagethiere, die das Nilthal, Ara-
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und Syrien hervorbringen, und wichtig die Vergleichung aller dieser

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[122/0013] A. v. Humboldt tungen und Erfahrungen von so groſser Bedeutung, daſs man sich schon für befriedigt erklären könnte, wenn dies auch der einzige Gewinn von ihrer Unternehmung gewesen wäre. Denn derselbe ist von einem Umfang, bei welchem es fast unbegreiflich wird, wie sie noch für die übrigen Zweige der Naturgeschichte so Vieles zu leisten im Stande waren. Die Wahrheit dieser Behauptung wird sich aus den folgenden Angaben näher und unwiderleglich ergeben. An Säugethieren sandten sie in Allem nicht weniger als 590 Indivi- duen, die zu 135 unterschiedenen Arten gehörten. Die wenigsten derselben waren bisher überhaupt oder in genauen Beschreibungen bekannt. Überall lieferten die Exemplare oder die darüber angestellten Beobachtungen die wichtigsten Aufschlüsse über Angaben alter Schriftsteller, über Zweifel der Neueren, über die Bedeutung alterthümlicher bildlicher Darstellungen. Die Menge und Auswahl der Exemplare gab zugleich Rechenschaft über Ver- änderungen nach Geschlecht, Alter und Jahrszeit, gleichzeitige anatomische Untersuchung vollendete das Bild, das man sich von ihrem Wesen zu ent- werfen habe und lieſs späteren Forschungen kaum etwas zu thun übrig. Die wenigen bekannteren Formen waren belangreich für die Kenntniſs ihrer geo- graphischen Verbreitung und für die Betrachtung etwaniger Umgestaltung einzelner Gebilde als Folge der so sehr unterschiedenen klimatischen Ein- flüsse, unter welchen sie angetroffen wurden. Alles Erhebliche zu nennen verbietet die Beschränkung, die diesem Bericht gegeben werden muſs. Nur Einzelnes sei Beispielsweise genannt. In der Ordnung der Nager lernten wir durch diese Unternehmung nicht nur den lybischen Hasen zuerst genauer kennen, sondern zwei merk- würdige Abänderungen seiner Form, vielleicht eigene Arten, wurden die eine in Nubien, die andere am Sinai entdeckt. Die sonderbare Familie der Springmäuse sowohl in der Form der dreizehigen (Dipus) als der fünfzehi- gen (Meriones) erlangte durch die Entdeckung vieler neuen Arten einen Reichthum, der vorher nicht geahnet werden konnte. Seltsam klingende Angaben von Bruce, Meyer, selbst von Pallas wurden durch sie zur Klar- heit gebracht oder auf das Befriedigendste berichtigt. Überraschend war überhaupt die Mannigfaltigkeit und Eigenthümlichkeit der Bildung so vieler kleiner unterirdisch lebender mäuseartiger Nagethiere, die das Nilthal, Ara- bien und Syrien hervorbringen, und wichtig die Vergleichung aller dieser

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Bericht über die Naturhistorischen Reisen der Herren Ehrenberg und Hemprich; durch Ägypten, Dongola, Syrien, Arabien und den östlichen Abfall des Habessinischen Hochlandes, in den Jahren 1820-1825. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, physikalische Klasse. Berlin, 1826, S. 111-134, hier S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_bericht_1826/13>, abgerufen am 26.04.2024.