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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Es bleibt mir übrig in diesem Abschnitt noch des dritten Punktes zu erwähnen, den wir oben als vorzüglich einflußreich auf die Geschichte der Weltansichten neben der Eröffnung des Pontus und der Stiftung der Colonien am Rande des inneren Meerbeckens bezeichnet haben. Die Gründung von Tartessus und Gades, wo ein Tempel dem wandernden Gotte Melkarth (einem Sohne des Bal) geheiligt war, die Pflanzstadt Utica, älter als Carthago, erinnern daran, daß die Phönicier schon viele Jahrhunderte lang durch den freien Ocean schifften, als den Hellenen noch die Straße, die Pindar66 die Gadeirische Pforte nennt, verschlossen war. So wie die Milesier in Osten durch den geöffneten Pontus67 Verbindungen stifteten, durch welche der Landhandel mit dem europäischen und asiatischen Norden und in viel späteren Zeiten mit dem Oxus und Indus belebt wurde, so suchten unter den Hellenen die Samier68 und Phocäer69 zuerst aus dem Becken des Mittelmeers gegen Westen vorzudringen.

Coläus von Samos wollte nach Aegypten schiffen, wo zu dieser Zeit der, vielleicht nur erneuerte Verkehr mit den Griechen unter Psammitichus begonnen hatte. Er wurde durch Oststürme nach der Insel Platea und von da (Herodot fügt bedeutsam hinzu: "nicht ohne göttliche Schickung") durch die Meerenge in den Ocean getrieben. Nicht bloß der Zufall eines unerwarteten Handelsgewinnstes in dem iberischen Tartessus, sondern die räumliche Entdeckung, der Eintritt in eine unbekannte, nur mythisch geahndete Welt gab der Begebenheit Größe und Ruf, so weit im Mittelmeer die griechische Zunge verständlich war. Hier, jenseits der Säulen des Hercules (früher Säulen des Briareus,

Es bleibt mir übrig in diesem Abschnitt noch des dritten Punktes zu erwähnen, den wir oben als vorzüglich einflußreich auf die Geschichte der Weltansichten neben der Eröffnung des Pontus und der Stiftung der Colonien am Rande des inneren Meerbeckens bezeichnet haben. Die Gründung von Tartessus und Gades, wo ein Tempel dem wandernden Gotte Melkarth (einem Sohne des Bal) geheiligt war, die Pflanzstadt Utica, älter als Carthago, erinnern daran, daß die Phönicier schon viele Jahrhunderte lang durch den freien Ocean schifften, als den Hellenen noch die Straße, die Pindar66 die Gadeirische Pforte nennt, verschlossen war. So wie die Milesier in Osten durch den geöffneten Pontus67 Verbindungen stifteten, durch welche der Landhandel mit dem europäischen und asiatischen Norden und in viel späteren Zeiten mit dem Oxus und Indus belebt wurde, so suchten unter den Hellenen die Samier68 und Phocäer69 zuerst aus dem Becken des Mittelmeers gegen Westen vorzudringen.

Coläus von Samos wollte nach Aegypten schiffen, wo zu dieser Zeit der, vielleicht nur erneuerte Verkehr mit den Griechen unter Psammitichus begonnen hatte. Er wurde durch Oststürme nach der Insel Platea und von da (Herodot fügt bedeutsam hinzu: „nicht ohne göttliche Schickung") durch die Meerenge in den Ocean getrieben. Nicht bloß der Zufall eines unerwarteten Handelsgewinnstes in dem iberischen Tartessus, sondern die räumliche Entdeckung, der Eintritt in eine unbekannte, nur mythisch geahndete Welt gab der Begebenheit Größe und Ruf, so weit im Mittelmeer die griechische Zunge verständlich war. Hier, jenseits der Säulen des Hercules (früher Säulen des Briareus,

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[180/0185] Es bleibt mir übrig in diesem Abschnitt noch des dritten Punktes zu erwähnen, den wir oben als vorzüglich einflußreich auf die Geschichte der Weltansichten neben der Eröffnung des Pontus und der Stiftung der Colonien am Rande des inneren Meerbeckens bezeichnet haben. Die Gründung von Tartessus und Gades, wo ein Tempel dem wandernden Gotte Melkarth (einem Sohne des Bal) geheiligt war, die Pflanzstadt Utica, älter als Carthago, erinnern daran, daß die Phönicier schon viele Jahrhunderte lang durch den freien Ocean schifften, als den Hellenen noch die Straße, die Pindar ⁶⁶ die Gadeirische Pforte nennt, verschlossen war. So wie die Milesier in Osten durch den geöffneten Pontus ⁶⁷ Verbindungen stifteten, durch welche der Landhandel mit dem europäischen und asiatischen Norden und in viel späteren Zeiten mit dem Oxus und Indus belebt wurde, so suchten unter den Hellenen die Samier ⁶⁸ und Phocäer ⁶⁹ zuerst aus dem Becken des Mittelmeers gegen Westen vorzudringen. Coläus von Samos wollte nach Aegypten schiffen, wo zu dieser Zeit der, vielleicht nur erneuerte Verkehr mit den Griechen unter Psammitichus begonnen hatte. Er wurde durch Oststürme nach der Insel Platea und von da (Herodot fügt bedeutsam hinzu: „nicht ohne göttliche Schickung") durch die Meerenge in den Ocean getrieben. Nicht bloß der Zufall eines unerwarteten Handelsgewinnstes in dem iberischen Tartessus, sondern die räumliche Entdeckung, der Eintritt in eine unbekannte, nur mythisch geahndete Welt gab der Begebenheit Größe und Ruf, so weit im Mittelmeer die griechische Zunge verständlich war. Hier, jenseits der Säulen des Hercules (früher Säulen des Briareus,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/185>, abgerufen am 26.04.2024.