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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Expedition den Hellenen wissenschaftliche Materialien, welche den lange aufgehäuften Schätzen früher cultivirter Völker entnommen werden konnten. Ich erinnere hier vorzugsweise daran, daß mit der Kenntniß der Erde und ihrer Erzeugnisse durch die Bekanntschaft mit Babylon, nach neueren und gründlichen Untersuchungen, auch die Kenntniß des Himmels ansehnlich vermehrt wurde. Allerdings war durch die Eroberung des Cyrus der Glanz des astronomischen Priester-Collegiums in der orientalischen Weltstadt bereits tief gesunken. Die Treppen-Pyramide des Belus (zugleich Tempel, Grab und eine, die nächtlichen Stunden verkündende Sternwarte) war von Xerxes der Zerstörung preis gegeben; das Monument lag zur Zeit des macedonischen Heerzuges bereits in Trümmern. Aber eben weil die geschlossene Pricstercaste sich bereits aufgelöst, ja der astronomischen Schulen sich eine große Zahl7 gebildet hatte, war es dem Callisthenes möglich geworden (wie Simplicius behauptet, auf Rath des Aristoteles) Sternbeobachtungen aus einer sehr langen Periode von Jahren (Porphyrius sagt: für eine Periode von 1903 Jahren vor Alexanders Einzug in Babylon, Ol. 112, 2) nach Griechenland zu senden. Die ältesten chaldäischen Beobachtungen, deren das Almagest erwähnt (wahrscheinlich die ältesten, welche Ptolemäus zu seinen Zwecken tauglich fand), gehen aber freilich nur bis 721 Jahre vor unserer Zeitrechnung, d. h. bis zu dem ersten messenischen Kriege. Gewiß ist es, "daß die Chaldäer die mittleren Bewegungen des Mondes mit einer Genauigkeit kannten, welche die griechischen Astronomen veranlaßte sich derselben zur Begründung der Mondstheorie zu bedienen."8 Auch ihre Planetenbeobachtungen,

Expedition den Hellenen wissenschaftliche Materialien, welche den lange aufgehäuften Schätzen früher cultivirter Völker entnommen werden konnten. Ich erinnere hier vorzugsweise daran, daß mit der Kenntniß der Erde und ihrer Erzeugnisse durch die Bekanntschaft mit Babylon, nach neueren und gründlichen Untersuchungen, auch die Kenntniß des Himmels ansehnlich vermehrt wurde. Allerdings war durch die Eroberung des Cyrus der Glanz des astronomischen Priester-Collegiums in der orientalischen Weltstadt bereits tief gesunken. Die Treppen-Pyramide des Belus (zugleich Tempel, Grab und eine, die nächtlichen Stunden verkündende Sternwarte) war von Xerxes der Zerstörung preis gegeben; das Monument lag zur Zeit des macedonischen Heerzuges bereits in Trümmern. Aber eben weil die geschlossene Pricstercaste sich bereits aufgelöst, ja der astronomischen Schulen sich eine große Zahl7 gebildet hatte, war es dem Callisthenes möglich geworden (wie Simplicius behauptet, auf Rath des Aristoteles) Sternbeobachtungen aus einer sehr langen Periode von Jahren (Porphyrius sagt: für eine Periode von 1903 Jahren vor Alexanders Einzug in Babylon, Ol. 112, 2) nach Griechenland zu senden. Die ältesten chaldäischen Beobachtungen, deren das Almagest erwähnt (wahrscheinlich die ältesten, welche Ptolemäus zu seinen Zwecken tauglich fand), gehen aber freilich nur bis 721 Jahre vor unserer Zeitrechnung, d. h. bis zu dem ersten messenischen Kriege. Gewiß ist es, „daß die Chaldäer die mittleren Bewegungen des Mondes mit einer Genauigkeit kannten, welche die griechischen Astronomen veranlaßte sich derselben zur Begründung der Mondstheorie zu bedienen."8 Auch ihre Planetenbeobachtungen,

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[196/0201] Expedition den Hellenen wissenschaftliche Materialien, welche den lange aufgehäuften Schätzen früher cultivirter Völker entnommen werden konnten. Ich erinnere hier vorzugsweise daran, daß mit der Kenntniß der Erde und ihrer Erzeugnisse durch die Bekanntschaft mit Babylon, nach neueren und gründlichen Untersuchungen, auch die Kenntniß des Himmels ansehnlich vermehrt wurde. Allerdings war durch die Eroberung des Cyrus der Glanz des astronomischen Priester-Collegiums in der orientalischen Weltstadt bereits tief gesunken. Die Treppen-Pyramide des Belus (zugleich Tempel, Grab und eine, die nächtlichen Stunden verkündende Sternwarte) war von Xerxes der Zerstörung preis gegeben; das Monument lag zur Zeit des macedonischen Heerzuges bereits in Trümmern. Aber eben weil die geschlossene Pricstercaste sich bereits aufgelöst, ja der astronomischen Schulen sich eine große Zahl ⁷ gebildet hatte, war es dem Callisthenes möglich geworden (wie Simplicius behauptet, auf Rath des Aristoteles) Sternbeobachtungen aus einer sehr langen Periode von Jahren (Porphyrius sagt: für eine Periode von 1903 Jahren vor Alexanders Einzug in Babylon, Ol. 112, 2) nach Griechenland zu senden. Die ältesten chaldäischen Beobachtungen, deren das Almagest erwähnt (wahrscheinlich die ältesten, welche Ptolemäus zu seinen Zwecken tauglich fand), gehen aber freilich nur bis 721 Jahre vor unserer Zeitrechnung, d. h. bis zu dem ersten messenischen Kriege. Gewiß ist es, „daß die Chaldäer die mittleren Bewegungen des Mondes mit einer Genauigkeit kannten, welche die griechischen Astronomen veranlaßte sich derselben zur Begründung der Mondstheorie zu bedienen." ⁸ Auch ihre Planetenbeobachtungen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/201>, abgerufen am 28.04.2024.