Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

nimmt, darf nach der Bemerkung eines berühmten Kenners dieses Zweiges der Litteratur, meines Freundes Freytag zu Bonn, um so weniger Wunder nehmen, als die Hauptgegenstände der Dichtung Erzählungen von Waffenthaten, Lob der Gastfreundschaft und der Liebestreue sind, als fast kein einziger der Sänger aus dem glücklichen Arabien stammte. Eine traurige Einförmigkeit von Grasfluren und staubbedeckte Einöden konnten nur in eigenthümlichen selteneren Stimmungen das Naturgefühl beleben.

Wo dem Boden der Schmuck der Wälder fehlt, beschäftigen, wie wir bereits früher bemerkt, die Lufterscheinungen, Sturm, Gewitter und langersehnter Regen um so mehr die Einbildungskraft. Ich erinnere vorzugsweise hier, um naturwahre Bilder dieser Art den arabischen Dichtern zu entlehnen, an Antar's Moallakat, welches die vom Regen befruchtete, vom Schwarm summender Insecten besuchte Flur beschreibt74; an die herrlichen und dazu noch örtlichen Schilderungen des Gewitters von Amru'l Kais und im 7ten Buche der berühmten Hamasa75; endlich an das Anschwellen des Euphrat, wenn der Strom Schilfmassen und Baumstämme in seinen Fluthen fortrollt, im Nabegha Dhobyani76. Das achte Buch der Hamasa, welches "Reise und Schläfrigkeit" überschrieben ist, mußte natürlich meine besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ich wurde bald belehrt, daß die Schläfrigkeit77 sich nur auf das erste Fragment des Buches bezieht und auch in diesem um so verzeihlicher ist, als sie einer Nachtreise auf dem Kameel zugeschrieben wird.

Ich habe in diesem Abschnitt fragmentarisch zu entwickeln gesucht, wie die Außenwelt, d. h. der Anblick der

nimmt, darf nach der Bemerkung eines berühmten Kenners dieses Zweiges der Litteratur, meines Freundes Freytag zu Bonn, um so weniger Wunder nehmen, als die Hauptgegenstände der Dichtung Erzählungen von Waffenthaten, Lob der Gastfreundschaft und der Liebestreue sind, als fast kein einziger der Sänger aus dem glücklichen Arabien stammte. Eine traurige Einförmigkeit von Grasfluren und staubbedeckte Einöden konnten nur in eigenthümlichen selteneren Stimmungen das Naturgefühl beleben.

Wo dem Boden der Schmuck der Wälder fehlt, beschäftigen, wie wir bereits früher bemerkt, die Lufterscheinungen, Sturm, Gewitter und langersehnter Regen um so mehr die Einbildungskraft. Ich erinnere vorzugsweise hier, um naturwahre Bilder dieser Art den arabischen Dichtern zu entlehnen, an Antar's Moallakat, welches die vom Regen befruchtete, vom Schwarm summender Insecten besuchte Flur beschreibt74; an die herrlichen und dazu noch örtlichen Schilderungen des Gewitters von Amru'l Kais und im 7ten Buche der berühmten Hamasa75; endlich an das Anschwellen des Euphrat, wenn der Strom Schilfmassen und Baumstämme in seinen Fluthen fortrollt, im Nabegha Dhobyani76. Das achte Buch der Hamasa, welches „Reise und Schläfrigkeit" überschrieben ist, mußte natürlich meine besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ich wurde bald belehrt, daß die Schläfrigkeit77 sich nur auf das erste Fragment des Buches bezieht und auch in diesem um so verzeihlicher ist, als sie einer Nachtreise auf dem Kameel zugeschrieben wird.

Ich habe in diesem Abschnitt fragmentarisch zu entwickeln gesucht, wie die Außenwelt, d. h. der Anblick der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0055" n="50"/>
nimmt, darf nach der Bemerkung eines berühmten Kenners dieses Zweiges der Litteratur, meines Freundes Freytag zu Bonn, um so weniger Wunder nehmen, als die Hauptgegenstände der Dichtung Erzählungen von Waffenthaten, Lob der Gastfreundschaft und der Liebestreue sind, als fast kein einziger der Sänger aus dem <hi rendition="#g">glücklichen Arabien</hi> stammte. Eine traurige Einförmigkeit von Grasfluren und staubbedeckte Einöden konnten nur in eigenthümlichen selteneren Stimmungen das Naturgefühl beleben.</p>
            <p>Wo dem Boden der Schmuck der Wälder fehlt, beschäftigen, wie wir bereits früher bemerkt, die Lufterscheinungen, Sturm, Gewitter und langersehnter Regen um so mehr die Einbildungskraft. Ich erinnere vorzugsweise hier, um naturwahre Bilder dieser Art den arabischen Dichtern zu entlehnen, an <hi rendition="#g">Antar's Moallakat,</hi> welches die vom Regen befruchtete, vom Schwarm summender Insecten besuchte Flur beschreibt<note xml:id="ftn73" next="ftn73-text" place="end" n="74"/>; an die herrlichen und dazu noch örtlichen Schilderungen des Gewitters von <hi rendition="#g">Amru'l Kais</hi> und im 7ten Buche der berühmten <hi rendition="#g">Hamasa</hi><note xml:id="ftn74" next="ftn74-text" place="end" n="75"/>; endlich an das Anschwellen des Euphrat, wenn der Strom Schilfmassen und Baumstämme in seinen Fluthen fortrollt, im <hi rendition="#g">Nabegha Dhobyani</hi><note xml:id="ftn75" next="ftn75-text" place="end" n="76"/>. Das achte Buch der Hamasa, welches &#x201E;Reise und Schläfrigkeit" überschrieben ist, mußte natürlich meine besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ich wurde bald belehrt, daß die Schläfrigkeit<note xml:id="ftn76" next="ftn76-text" place="end" n="77"/> sich nur auf das erste Fragment des Buches bezieht und auch in diesem um so verzeihlicher ist, als sie einer Nachtreise auf dem Kameel zugeschrieben wird.</p>
            <p>Ich habe in diesem Abschnitt fragmentarisch zu entwickeln gesucht, wie die Außenwelt, d. h. der Anblick der
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0055] nimmt, darf nach der Bemerkung eines berühmten Kenners dieses Zweiges der Litteratur, meines Freundes Freytag zu Bonn, um so weniger Wunder nehmen, als die Hauptgegenstände der Dichtung Erzählungen von Waffenthaten, Lob der Gastfreundschaft und der Liebestreue sind, als fast kein einziger der Sänger aus dem glücklichen Arabien stammte. Eine traurige Einförmigkeit von Grasfluren und staubbedeckte Einöden konnten nur in eigenthümlichen selteneren Stimmungen das Naturgefühl beleben. Wo dem Boden der Schmuck der Wälder fehlt, beschäftigen, wie wir bereits früher bemerkt, die Lufterscheinungen, Sturm, Gewitter und langersehnter Regen um so mehr die Einbildungskraft. Ich erinnere vorzugsweise hier, um naturwahre Bilder dieser Art den arabischen Dichtern zu entlehnen, an Antar's Moallakat, welches die vom Regen befruchtete, vom Schwarm summender Insecten besuchte Flur beschreibt ⁷⁴ ; an die herrlichen und dazu noch örtlichen Schilderungen des Gewitters von Amru'l Kais und im 7ten Buche der berühmten Hamasa ⁷⁵ ; endlich an das Anschwellen des Euphrat, wenn der Strom Schilfmassen und Baumstämme in seinen Fluthen fortrollt, im Nabegha Dhobyani ⁷⁶ . Das achte Buch der Hamasa, welches „Reise und Schläfrigkeit" überschrieben ist, mußte natürlich meine besondere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ich wurde bald belehrt, daß die Schläfrigkeit ⁷⁷ sich nur auf das erste Fragment des Buches bezieht und auch in diesem um so verzeihlicher ist, als sie einer Nachtreise auf dem Kameel zugeschrieben wird. Ich habe in diesem Abschnitt fragmentarisch zu entwickeln gesucht, wie die Außenwelt, d. h. der Anblick der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/55
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/55>, abgerufen am 29.04.2024.