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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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belebten und unbelebten Natur, zu verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen ungleichartig auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat. Aus der Geschichte der Litteratur wurde das ausgehoben, was die lebendige Aeußerung des Naturgefühls charakterisirt. Es kam dabei, wie in meinem ganzen Werke vom Kosmos, nicht auf Vollständigkeit, sondern nur auf Allgemeinheit der Ansicht, auf die Auswahl solcher Beispiele an, in denen sich die Eigenthümlichkeiten der Zeiten und der Menschenracen offenbaren. Ich habe die Griechen und Römer geschildert bis zu dem allmäligen Absterben der Gefühle, die dem classischen Alterthume in den Abendlanden einen unverlöschbaren Glanz gegeben; ich habe in den Schriften der christlichen Kirchenväter dem schönen Ausdruck des Naturgefühls nachgespürt, den in stiller Rührung das Einsiedlerleben erzeugte. Bei Betrachtung der indogermanischen Völker (ich nehme die Benennung hier in dem engeren Sinne des Worts) sind wir übergegangen von den Dichtungen der Deutschen im Mittelalter zu denen der hochgebildeten alten Ost-Arier (Inder) und der minder begabten West-Arier, der Bewohner des alten Iran. Nach einem flüchtigen Blicke auf die celtischen (galischen) Gesänge und ein neuentdecktes finnisches Epos, habe ich das reiche Naturleben geschildert, das in einem Zweige des semitischen (aramäischen) Stammes, in den erhabenen Gedichten der Hebräer und in denen der Araber athmet. So haben wir die Erscheinungswelt abgespiegelt gesehen in der Phantasie der Völker im Norden und Südosten von Europa, in Vorderasien, in den persischen Hochebenen und dem indischen Tropenlande. Um die Natur in ihrer ganzen Größe zu

belebten und unbelebten Natur, zu verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen ungleichartig auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat. Aus der Geschichte der Litteratur wurde das ausgehoben, was die lebendige Aeußerung des Naturgefühls charakterisirt. Es kam dabei, wie in meinem ganzen Werke vom Kosmos, nicht auf Vollständigkeit, sondern nur auf Allgemeinheit der Ansicht, auf die Auswahl solcher Beispiele an, in denen sich die Eigenthümlichkeiten der Zeiten und der Menschenracen offenbaren. Ich habe die Griechen und Römer geschildert bis zu dem allmäligen Absterben der Gefühle, die dem classischen Alterthume in den Abendlanden einen unverlöschbaren Glanz gegeben; ich habe in den Schriften der christlichen Kirchenväter dem schönen Ausdruck des Naturgefühls nachgespürt, den in stiller Rührung das Einsiedlerleben erzeugte. Bei Betrachtung der indogermanischen Völker (ich nehme die Benennung hier in dem engeren Sinne des Worts) sind wir übergegangen von den Dichtungen der Deutschen im Mittelalter zu denen der hochgebildeten alten Ost-Arier (Inder) und der minder begabten West-Arier, der Bewohner des alten Iran. Nach einem flüchtigen Blicke auf die celtischen (galischen) Gesänge und ein neuentdecktes finnisches Epos, habe ich das reiche Naturleben geschildert, das in einem Zweige des semitischen (aramäischen) Stammes, in den erhabenen Gedichten der Hebräer und in denen der Araber athmet. So haben wir die Erscheinungswelt abgespiegelt gesehen in der Phantasie der Völker im Norden und Südosten von Europa, in Vorderasien, in den persischen Hochebenen und dem indischen Tropenlande. Um die Natur in ihrer ganzen Größe zu

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[51/0056] belebten und unbelebten Natur, zu verschiedenen Zeitepochen und bei verschiedenen Volksstämmen ungleichartig auf die Gedanken- und Empfindungswelt eingewirkt hat. Aus der Geschichte der Litteratur wurde das ausgehoben, was die lebendige Aeußerung des Naturgefühls charakterisirt. Es kam dabei, wie in meinem ganzen Werke vom Kosmos, nicht auf Vollständigkeit, sondern nur auf Allgemeinheit der Ansicht, auf die Auswahl solcher Beispiele an, in denen sich die Eigenthümlichkeiten der Zeiten und der Menschenracen offenbaren. Ich habe die Griechen und Römer geschildert bis zu dem allmäligen Absterben der Gefühle, die dem classischen Alterthume in den Abendlanden einen unverlöschbaren Glanz gegeben; ich habe in den Schriften der christlichen Kirchenväter dem schönen Ausdruck des Naturgefühls nachgespürt, den in stiller Rührung das Einsiedlerleben erzeugte. Bei Betrachtung der indogermanischen Völker (ich nehme die Benennung hier in dem engeren Sinne des Worts) sind wir übergegangen von den Dichtungen der Deutschen im Mittelalter zu denen der hochgebildeten alten Ost-Arier (Inder) und der minder begabten West-Arier, der Bewohner des alten Iran. Nach einem flüchtigen Blicke auf die celtischen (galischen) Gesänge und ein neuentdecktes finnisches Epos, habe ich das reiche Naturleben geschildert, das in einem Zweige des semitischen (aramäischen) Stammes, in den erhabenen Gedichten der Hebräer und in denen der Araber athmet. So haben wir die Erscheinungswelt abgespiegelt gesehen in der Phantasie der Völker im Norden und Südosten von Europa, in Vorderasien, in den persischen Hochebenen und dem indischen Tropenlande. Um die Natur in ihrer ganzen Größe zu

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/56>, abgerufen am 29.04.2024.