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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Sandbank, auf der die rothen Flamingos stehen; eine Hügelkette, welche sich an den Himalaya anlehnt, und Gazellen auf dieser Hügelkette gelagert". Das sind Anforderungen nicht geringer Art; sie deuten wenigstens auf den Glauben an die Ausführbarkeit einer verwickelten Composition.

Seit den Cäsaren trat die Landschaftmalerei zu Rom als eine eigene abgesonderte Kunst auf; aber nach dem Vielen, was uns die Ausgrabungen von Herculaneum, Pompeji und Stabiä zeigen, waren diese Naturbilder oft nur landkartenähnliche Uebersichten der Gegend, wieder mehr Darstellung von Hafenstädten, Villen und Kunstgärten, als der freien Natur zugewandt. Den Griechen und Römern schien fast allein das gemächlich Bewohnbare anziehend in der Landschaft, nicht das, was wir wild und romantisch nennen. Die Nachahmung konnte genau sein, so weit eine oft störende Sorglosigkeit in der Perspective und ein Streben nach conventioneller Anordnung es erlaubten; ja die arabeskenartigen Compositionen, denen der strenge Vitruvius abhold war, vereinigten, rhythmisch wiederkehrend und genialisch aufgefaßt, Thier- und Pflanzengestalten: aber, um mich eines Ausspruchs von Otfried Müller zu bedienen14, "der ahndungsvolle Dämmerschein des Geistes, mit welchem die Landschaft uns anspricht, erschien den Alten nach ihrer Gemüthsrichtung jeder künstlerischen Ausbildung unfähig; ihre Landschaften waren mehr scherzhaft als mit Ernst und Gefühl entworfen."

Wir haben die Analogie des Entwickelungsganges bezeichnet, auf dem im classischen Alterthume zwei Mittel die Natur anschaulich darzustellen, durch die Sprache (das begeisterte Wort) und durch graphische Nachbildungen,

Sandbank, auf der die rothen Flamingos stehen; eine Hügelkette, welche sich an den Himalaya anlehnt, und Gazellen auf dieser Hügelkette gelagert". Das sind Anforderungen nicht geringer Art; sie deuten wenigstens auf den Glauben an die Ausführbarkeit einer verwickelten Composition.

Seit den Cäsaren trat die Landschaftmalerei zu Rom als eine eigene abgesonderte Kunst auf; aber nach dem Vielen, was uns die Ausgrabungen von Herculaneum, Pompeji und Stabiä zeigen, waren diese Naturbilder oft nur landkartenähnliche Uebersichten der Gegend, wieder mehr Darstellung von Hafenstädten, Villen und Kunstgärten, als der freien Natur zugewandt. Den Griechen und Römern schien fast allein das gemächlich Bewohnbare anziehend in der Landschaft, nicht das, was wir wild und romantisch nennen. Die Nachahmung konnte genau sein, so weit eine oft störende Sorglosigkeit in der Perspective und ein Streben nach conventioneller Anordnung es erlaubten; ja die arabeskenartigen Compositionen, denen der strenge Vitruvius abhold war, vereinigten, rhythmisch wiederkehrend und genialisch aufgefaßt, Thier- und Pflanzengestalten: aber, um mich eines Ausspruchs von Otfried Müller zu bedienen14, „der ahndungsvolle Dämmerschein des Geistes, mit welchem die Landschaft uns anspricht, erschien den Alten nach ihrer Gemüthsrichtung jeder künstlerischen Ausbildung unfähig; ihre Landschaften waren mehr scherzhaft als mit Ernst und Gefühl entworfen."

Wir haben die Analogie des Entwickelungsganges bezeichnet, auf dem im classischen Alterthume zwei Mittel die Natur anschaulich darzustellen, durch die Sprache (das begeisterte Wort) und durch graphische Nachbildungen,

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[79/0084] Sandbank, auf der die rothen Flamingos stehen; eine Hügelkette, welche sich an den Himalaya anlehnt, und Gazellen auf dieser Hügelkette gelagert". Das sind Anforderungen nicht geringer Art; sie deuten wenigstens auf den Glauben an die Ausführbarkeit einer verwickelten Composition. Seit den Cäsaren trat die Landschaftmalerei zu Rom als eine eigene abgesonderte Kunst auf; aber nach dem Vielen, was uns die Ausgrabungen von Herculaneum, Pompeji und Stabiä zeigen, waren diese Naturbilder oft nur landkartenähnliche Uebersichten der Gegend, wieder mehr Darstellung von Hafenstädten, Villen und Kunstgärten, als der freien Natur zugewandt. Den Griechen und Römern schien fast allein das gemächlich Bewohnbare anziehend in der Landschaft, nicht das, was wir wild und romantisch nennen. Die Nachahmung konnte genau sein, so weit eine oft störende Sorglosigkeit in der Perspective und ein Streben nach conventioneller Anordnung es erlaubten; ja die arabeskenartigen Compositionen, denen der strenge Vitruvius abhold war, vereinigten, rhythmisch wiederkehrend und genialisch aufgefaßt, Thier- und Pflanzengestalten: aber, um mich eines Ausspruchs von Otfried Müller zu bedienen ¹⁴ , „der ahndungsvolle Dämmerschein des Geistes, mit welchem die Landschaft uns anspricht, erschien den Alten nach ihrer Gemüthsrichtung jeder künstlerischen Ausbildung unfähig; ihre Landschaften waren mehr scherzhaft als mit Ernst und Gefühl entworfen." Wir haben die Analogie des Entwickelungsganges bezeichnet, auf dem im classischen Alterthume zwei Mittel die Natur anschaulich darzustellen, durch die Sprache (das begeisterte Wort) und durch graphische Nachbildungen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/84>, abgerufen am 29.04.2024.