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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Felsen, Uferstücken und Theilen des Waldbodens nach der Natur in freier Luft gezeichnet oder gemalt hat. Der Besitz solcher, in recht bestimmten Umrissen entworfenen Studien kann dem Heimkehrenden alle mißleitende Hülfe von Treibhaus-Gewächsen und sogenannten botanischen Abbildungen entbehrlich machen.

Eine große Weltbegebenheit, die Unabhängigkeit des spanischen und portugiesischen Amerika's von europäischer Herrschaft, die zunehmende Cultur in Indien, Neu-Holland, den Sandwich-Inseln und den südlichen Colonien von Afrika werden unausbleiblich, nicht der Meteorologie und beschreibenden Naturkunde allein, sondern auch der Landschaftmalerei einen neuen, großartigen Charakter und einen Schwung geben, den sie ohne diese Localverhältnisse nicht erreichen würden. In Südamerika liegen volkreiche Städte fast bis zu 13000 Fuß Höhe über der Meeresfläche. Von da hinab bieten sich dem Auge alle klimatischen Abstufungen der Pflanzenformen dar. Wie viel ist nicht von malerischen Studien der Natur zu erwarten, wenn, nach geendigtem Bürgerzwiste und hergestellten freien Verfassungen, endlich einmal Kunstsinn in jenen Hochländern erwacht!

Alles, was sich auf den Ausdruck der Leidenschaften, auf die Schönheit menschlicher Form bezieht, hat in der temperirten nördlichen Zone, unter dem griechischen und hesperischen Himmel, seine höchste Vollendung erreichen können; aus den Tiefen seines Gemüths wie aus der sinnlichen Anschauung des eigenen Geschlechts ruft, schöpferisch frei und nachbildend zugleich, der Künstler die Typen historischer Darstellungen hervor. Die Landschaftmalerei, welche eben so wenig bloß nachahmend ist, hat ein mehr materielles

Felsen, Uferstücken und Theilen des Waldbodens nach der Natur in freier Luft gezeichnet oder gemalt hat. Der Besitz solcher, in recht bestimmten Umrissen entworfenen Studien kann dem Heimkehrenden alle mißleitende Hülfe von Treibhaus-Gewächsen und sogenannten botanischen Abbildungen entbehrlich machen.

Eine große Weltbegebenheit, die Unabhängigkeit des spanischen und portugiesischen Amerika's von europäischer Herrschaft, die zunehmende Cultur in Indien, Neu-Holland, den Sandwich-Inseln und den südlichen Colonien von Afrika werden unausbleiblich, nicht der Meteorologie und beschreibenden Naturkunde allein, sondern auch der Landschaftmalerei einen neuen, großartigen Charakter und einen Schwung geben, den sie ohne diese Localverhältnisse nicht erreichen würden. In Südamerika liegen volkreiche Städte fast bis zu 13000 Fuß Höhe über der Meeresfläche. Von da hinab bieten sich dem Auge alle klimatischen Abstufungen der Pflanzenformen dar. Wie viel ist nicht von malerischen Studien der Natur zu erwarten, wenn, nach geendigtem Bürgerzwiste und hergestellten freien Verfassungen, endlich einmal Kunstsinn in jenen Hochländern erwacht!

Alles, was sich auf den Ausdruck der Leidenschaften, auf die Schönheit menschlicher Form bezieht, hat in der temperirten nördlichen Zone, unter dem griechischen und hesperischen Himmel, seine höchste Vollendung erreichen können; aus den Tiefen seines Gemüths wie aus der sinnlichen Anschauung des eigenen Geschlechts ruft, schöpferisch frei und nachbildend zugleich, der Künstler die Typen historischer Darstellungen hervor. Die Landschaftmalerei, welche eben so wenig bloß nachahmend ist, hat ein mehr materielles

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[88/0093] Felsen, Uferstücken und Theilen des Waldbodens nach der Natur in freier Luft gezeichnet oder gemalt hat. Der Besitz solcher, in recht bestimmten Umrissen entworfenen Studien kann dem Heimkehrenden alle mißleitende Hülfe von Treibhaus-Gewächsen und sogenannten botanischen Abbildungen entbehrlich machen. Eine große Weltbegebenheit, die Unabhängigkeit des spanischen und portugiesischen Amerika's von europäischer Herrschaft, die zunehmende Cultur in Indien, Neu-Holland, den Sandwich-Inseln und den südlichen Colonien von Afrika werden unausbleiblich, nicht der Meteorologie und beschreibenden Naturkunde allein, sondern auch der Landschaftmalerei einen neuen, großartigen Charakter und einen Schwung geben, den sie ohne diese Localverhältnisse nicht erreichen würden. In Südamerika liegen volkreiche Städte fast bis zu 13000 Fuß Höhe über der Meeresfläche. Von da hinab bieten sich dem Auge alle klimatischen Abstufungen der Pflanzenformen dar. Wie viel ist nicht von malerischen Studien der Natur zu erwarten, wenn, nach geendigtem Bürgerzwiste und hergestellten freien Verfassungen, endlich einmal Kunstsinn in jenen Hochländern erwacht! Alles, was sich auf den Ausdruck der Leidenschaften, auf die Schönheit menschlicher Form bezieht, hat in der temperirten nördlichen Zone, unter dem griechischen und hesperischen Himmel, seine höchste Vollendung erreichen können; aus den Tiefen seines Gemüths wie aus der sinnlichen Anschauung des eigenen Geschlechts ruft, schöpferisch frei und nachbildend zugleich, der Künstler die Typen historischer Darstellungen hervor. Die Landschaftmalerei, welche eben so wenig bloß nachahmend ist, hat ein mehr materielles

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/93>, abgerufen am 29.04.2024.